Der Papstbesuch in Deutschland hat katholische wie protestantische Christen gleichermaßen bewegt. Gewiss doch, dieser Besuch hat viele gefreut und in ihrem Glauben und Christsein in Kirche und Welt gestärkt. Er hat aber auch viele Gemüter innerhalb und außerhalb der Kirche erhitzt. Wie hat der Papstbesuch bei mir nachgewirkt?
Erhitztes Wasser, um ein gängiges Bild zu gebrauchen, ist kaum trinkbar. Es muss eine Weile Zeit vergehen, bis es auf eine erträgliche Temperatur gesunken ist, um für alle genießbar zu sein. Ich denke, so sollte es auch im innerchristlichen Dialog der Kirchen und Konfessionen zugehen.
Halten wir doch fest: Es ist ein historisch denkwürdiges Ereignis gewesen, dass Papst Benedikt XVI. nach fast 500 Jahren als erster Papst überhaupt an den Ort gereist ist, an dem der Augustinermönch und Priester und spätere Reformator Martin Luther seine spirituelle und theologische Prägung erfahren hatte. Von einer intensiven Beschäftigung mit der Bibel aus wurde Luther später unweigerlich zu einem Konfrontations- und Reformationskurs in der römisch-katholischen Kirche geführt. Er stand mit seiner Erkenntnis nicht allein: Die Wahrheit des Evangeliums steht über der kirchlichen Tradition, wie sie von Rom über Jahrhunderte monopolisiert wurde.
Ein halbes Jahrtausend ist seitdem ins Land gegangen. Mit der gemeinsamen Feier eines Wortgottesdienstes im Erfurter Augustinerkloster hat der Papst nun, wie ich finde, ein starkes Zeichen der Ökumene gesetzt. Ja, wir sind durch die eine Taufe zur Gemeinschaft mit Gott in Christus gerufen. Das dürfen und sollen wir auch gemeinsam in der Welt bezeugen. Daraus muss und darf aus protestantischer Sicht die Gemeinschaft im Heiligen Abendmahl folgen. Genau an dieser Stelle aber ist der Schmerz der Kirchentrennung weiterhin zu spüren. Von katholischer Seite bleibt es bei der expliziten Ausladung gegenüber nicht-katholischen Gliedern des Leibes Christi, wie es übrigens auch gegenüber geschiedenen Mitgliedern der katholischen Kirche bei der Ausladung bleibt.
„Da unser Herr und Meister Jesus Christus sagt: >Tut Buße!< (Matth. 4,17), wollte er, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein sollte.“ So hebt die erste der 95 Thesen an, die Martin Luther am 31. Oktober 1517 an die Schlosskirche zu Wittenberg mit der Aufforderung zur Disputation geheftet hat. Wie haben wir heute darüber zu denken und zu diskutieren? Was ist uns Christen allesamt heute zur Buße aufgegeben? Für mich als evangelischen Christen im geistlichen Amt kann es jedenfalls keine Ausladung von getauften Menschen von der Abendmahlsgemeinschaft in unseren Gottesdiensten geben. Landesbischof E. Lohse i. R. und viele Jahre Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland hat dazu nach dem Papstbesuch deutlich zum Ausdruck gebracht: „Schon jetzt heißen wir als evangelische Kirche katholische Christen in unserer gottesdienstlichen Gemeinschaft willkommen.“ Und Kardinal Lehmann hat in der gleichen Veröffentlichung am Ende den Papst zitierend geschrieben: „Die Erneuerung der Kirche kann letztlich nur durch die Bereitschaft zur Umkehr und durch einen erneuerten Glauben kommen.“ Dem ist nichts weiter hinzuzufügen. Außer: Lassen wir uns doch wirklich auf die Zusagen im Evangelium ein und handeln in unseren Kirchen entsprechend!
Pfarrer Matthias Gärtner,
Ev. Kirchengemeinde Dortelweil