Bad Vilbel. „Es tut mir so leid, ich schäme mich. Ich habe eine Strafe verdient“. Das waren die Worte, die der Bad Vilbeler Fernmeldeelektroniker Gerhard S.* (59) nach seinem ersten Prozess im letzten Jahr vor dem Frankfurter Amtsgericht gefunden hatte. Er wurde wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Sein eigener Sohn (14) hatte bei einem Besuch des Vaters in dessen Computerdateien „so eigenartige Sachen“ gefunden, wie er später der Mutter berichtete.
Die Staatsanwaltschaft brachte es auf den Punkt: 1368 Bilddateien und 75 Videos, in denen teilweise sechs-, sieben- und achtjährige Mädchen bei sexuellen Handlungen zu sehen waren. Auf gigantische 800 Gigabyte Speicherplatz summierten sich die unappetitlichen Dateien auf dem Rechner des Angeklagten. Nun hörte sich die Sache beim Landgericht in zweiter Instanz ganz anders an. S. hatte Berufung gegen die amtsgerichtliche Entscheidung eingelegt. Mit Anzug und Schlips erschien er vor Gericht und hatte eine Überraschung zu verkünden: Nun ist er davon überzeugt, gar nichts Böses getan zu haben.
Es stimme zwar, dass er an einer Tauschbörse für derlei pornografisches Material teilgenommen und sich auch entsprechende Dateien heruntergeladen habe. In dem von der Anklage behaupteten Umfang von mehreren Gigabytes jedoch habe er sich keineswegs betätigt. Berufungsrichter Jürgen Stüber von der fünften Kleinen Strafkammer zuckte ungläubig mit den Schultern und las dem Angeklagten auch noch einmal sein letztes Wort aus dem ersten Prozess vor. Auch die Staatsanwältin runzelte die Stirn. Im Ermittlungsverfahren habe S. doch zugegeben, „zig-megabytes“ an kinderpornografischen Bildern und Videos heruntergeladen und verwertet zu haben.
Der Angeklagte blieb jedoch bei seinem Sinneswandel und stellte den Antrag, einen Computersachverständigen zu hören, der die Dateien genau auswerten und zuordnen könne. Dieser werde dem Gericht zeigen, dass S. zu Unrecht verurteilt worden sei.
Richter Stüber zeigte sich über den Antrag unwirsch: „Das hätten Sie auch schon vor ein paar Wochen beantragen können, dann hätten wir den Fachmann heute hier bereits vernehmen können“. So aber geriet das Gericht in Terminnöte. Den einzigen Fortsetzungstermin, den Stüber innerhalb der gesetzlichen Fortsetzungsfrist Mitte März noch frei hatte, musste der Verteidiger ablehnen. So wird die Sache demnächst wieder aufgerollt. (ge)
* Name von der Redaktion geändert