Karben. Kehrtwende bei Conti: Nachdem die Große Tarifkommission der IG Metall Frankfurt den Ende April ausgehandelten Tarifvertrag abgelehnt hatte, hat die IG Metall dem Management ein finales Angebot vorgelegt. Das Ergebnis: Der Automobilzulieferer lenkt ein und akzeptiert die Forderungen. Damit ist die ursprünglich geplante komplette Schließung des Standortes in Karben vom Tisch. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis Ende 2022 ausgeschlossen.
Es ist 12.30 Uhr als Michael Erhardt und Frank Grommeck vor das Karbener Conti-Werk an der Dieselstraße treten. Der Betriebsratsvorsitzende sowie der 1. Bevollmächtigte der IG Metall wirken zufrieden. Kurz zuvor haben sie die erste von drei Mitgliederversammlungen abgehalten. Denn: Die IG Metall und das Continental-Management haben sich nun doch geeinigt – und dabei zahlreichen zusätzlichen Forderungen der Belegschaft entsprochen.
Komplette Schließung zurückgenommen
Rund zwei Wochen ist es her, als die Große Tarifkommission der IG Metall Frankfurt den Ende April zum Erhalt des Conti-Automotive-Werks ausgehandelten Sozialtarifvertrag abgelehnt hat. Ausgehandelt wurde, dass die ursprünglich zum Dezember 2023 geplante vollständige Schließung des Standorts Karben zurückgenommen werde. Die Continental Engineering Services (CES) solle mit insgesamt 187 Beschäftigten am Standort bleiben. Für den vorgesehenen Zeitpunkt der Schließung der Continental Automotive GmbH zum 31. Dezember 2023 wurde zugesichert, mindestens 150 Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Die Beschäftigten hatten ihren Frust nach der Einigung deutlich gemacht. Dieser Sozialtarif-Kompromiss, der zumindest einen kleinen Teil der Werkes an der Dieselstraße erhalten hätte, ist bei der Belegschaft auf Ablehnung gestoßen. Die Kritikpunkte: Eine Jobgarantie nur für dieses Jahr, Unsicherheiten bezüglich der Altersteilzeit, Fragen rund um die Abfindung.
Härtefonds von einer Million Euro
Dem Management ist Ende Mai deshalb ein neues, letztes Lösungsangebot vonseiten der IG Metall gemacht worden, wie Michael Erhardt berichtet. »Das wurde angenommen. Dabei wurden sehr viele Rückmeldungen und Kritikpunkte der Mitglieder berücksichtigt.« Die Karbener Beschäftigten hätten sich Bedingungen wie in Babenhausen gewünscht. »Das sind wir sogar drüber«, sagt Michael Erhardt.
Betriebsratsvorsitzender Frank Grommeck wird konkret und erläutert fünf Punkte, die zusätzlich zum Verhandlungsergebnis vom April gelten. Er berichtet vom besseren Kündigungsschutz im Jahr 2021. »Betriebsbedingte Kündigungen werden frühestens 2023 wirksam«, sagt er. Das sei einer der großen Kritikpunkte der Belegschaft gewesen. »Das gibt viel mehr Sicherheit.« Grommeck führt anschließend weiter aus, dass es einen zusätzlichen Härtefonds von einer Millionen Euro geben werde. Wofür dieser genau verwendet wird, stehe noch nicht fest. Es gebe aber bereits einige Ideen, verraten die beiden.
Grommeck erläutert, dass es Unsicherheiten gegeben habe für die Jahrgänge 1966 bis 1968. Für Beschäftigte, die älter als 57 Jahre sind und das Unternehmen verlassen wollen, werden jetzt die Abfindungsregelungen verbessert. So können beispielsweise Beschäftigte, die 57 Jahre alt sind, eine Abfindung von bis zu 190 000 Euro erhalten. Wer zu diesem Zeitpunkt 58 Jahre alt ist, erhält 180 000 Euro. Wer 59 Jahre alt ist, 170 000 Euro. Grommeck betont: »Vorher war das nicht genau definiert, und das hat zu Unsicherheiten geführt.«
Das letzte Wort
hat die Belegschaft
Beschäftigten, die vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden wollen, wird das Management von Continental ein Altersteilzeitangebot machen. Michael Erhardt sagt: »Die verbesserten Regelungen zur Altersteilzeit sind eine gute Grundlage und das verbesserte Abfindungsprogramm unterstützt Beschäftigte, die das Unternehmen freiwillig verlassen möchten.«
Mit dem neuen Ergebnis zeigen sich sowohl Michael Erhardt als auch Frank Grommeck zufrieden. »Wir hatten einige Lücken, die wir schließen mussten und das haben wir mit dem finalen Angebot getan«, so Grommeck.
Jetzt gilt es auf Mitgliederversammlungen die Belegschaft zu informieren. »Das Interesse auf der ersten war groß«, berichtet Grommeck. Es seien viele Fragen gestellt worden. Ähnliches erwarten Grommeck und Erhardt auch bei den weiteren Versammlungen, die am Montag der vorigen Woche stattfanden. Die Stimmung sei deutlich positiver. »Kein Vergleich zum April«, sagt Erhardt.
Der Faktor Zeit könne helfen, »einen Fuß in die Tür zu bekommen«, sagt Frank Grommeck. »Einige Produkte sind schwierig herzustellen.« Die Continental Engineering Services (CES), die mit insgesamt 187 Beschäftigten am Standort bleiben soll, könne wachsen. »Das würde bedeuten, dass mehr Leute hier bleiben. Aber das sind noch ungelegte Eier«, sagt Grommeck.
Erst mal werden die IG-Metall-Mitglieder über die erneute Einigung abstimmen. Ein Ergebnis wird für Ende dieser Woche erwartet. Michael Erhardt betont: »Das letzte Wort hat immer die Belegschaft.«
Von Patrick Eickhoff