Von Deutschland angeworben und mit der Perspektive auf bessere Bezahlung sind in den 60er-Jahren viele Türken als so genannte Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Auch der Vater des Karbeners Recep Bakanhan ging 1963 als einer der ersten diesen Weg. Eine Wanderung, die bis in die dritte Generation das Leben der Bakanhans prägt und ihnen eine große kulturelle Vielfalt bereitet.
Karben. Recep Bakanhan war zweieinhalb Jahre alt, als er im Jahr 1967 mit seiner Mutter nach Deutschland kam. Schon vier Jahre zuvor hatte sich sein Vater Ali Bakanhan von Istanbul nach Deutschland auf den Weg gemacht, um dem Ruf der Gastarbeiterschaft zu folgen.
Krieg und Wirtschaftswunder sorgten hierzulande für einen Mangel an Arbeitskräfte auf einem blühenden Arbeitsmarkt. „Mein Vater kam nach Deutschland und hatte einen Tag später einen Job“, erzählt Recep Bakanhan.
Als gelernter Maurer war Ali Bakanhan eine willkommene Fachkraft im aufstrebenden Deutschland. Er fand erst in einem Gartenbauunternehmen und anschließend für viele Jahre bei Hochtief in Frankfurt Arbeit.
Schnell gelernt
„In der Türkei war die Arbeitskraft nichts wert, mein Vater hat hier von Anfang an das Fünf- bis Sechsfache verdient“, berichtet sein Sohn zurückblickend. Dennoch habe sein Vater immer zurück gewollt, doch mit der Arbeit wurde Deutschland immer mehr zum Lebensmittelpunkt, so dass nur wenige Jahre später Frau und Kind nachzogen. Receps jüngerer Bruder Selami kam 1968 sogar bereits in Deutschland zur Welt.
Die Bakanhans gehörten damals zu den ersten Türken in Karben. Noch heute erinnert sich Recep Bakanhan, wie er mit ausschließlich deutschen Kindern auf der noch wenig befahrenen Bahnhofstraße spielte. Sein Vater erzählt ihm noch heute, wie er damals in wenigen Tagen deutsch lernte: „Weil es nicht anders ging“, weiß Recep Bakanhan heute.
Sowohl im damaligen Kindergarten in der Christinenstraße als auch zu Grundschulzeiten in der Pestalozzischule sowie anschließend in der Kurt-Schumacher-Schule war Recep Bakanhan der erste und damals einzige Türke in seiner Klasse. Doch größer irritiert habe das niemanden: „Natürlich gab es hier und da ein paar Idioten, die mich als ,Kümmeltürken’ bezeichneten, aber ich habe nie wirklich Probleme gehabt“, betont er heute zufrieden. Viel eher habe sich schon damals ein Freundeskreis aufgebaut, der bis heute sein Leben bereichert.
So spielte er als Jugendlicher beim damaligen SV Groß-Karben Fußball und ist bis heute als Kicker bei den Alten Herren dem Verein verbunden. „Ich wurde ganz automatisch integriert“, reflektiert der Gas- und Wasserinstallateur.
Die Herkunft kennen
Als einziger Türke im Dorf sei er instinktiv wie ein Deutscher sozialisiert worden. Erst in den 70ern seien jugendliche Türken nach Deutschland nachgekommen, die erste isolierte Gruppen gebildet hätten, erklärt Bakanhan, fügt jedoch hinzu, dass dies in Karben nie der Fall gewesen sei.
Doch trotz der großen Freude darüber, in Deutschland willkommen gewesen zu sein, war es den Bakanhans stets wichtig, die eigenen türkischen Wurzeln zu pflegen und den Kontakt zur Heimat nie aufzugeben. Das habe damals auch seine deutschen Mitschüler begeistert: „Früher sind viele meiner Freunde nach der Schule mit zu mir nach Hause gekommen, um zu essen, da meine Mutter immer türkisch gekocht hat.“
Ali Bakanhan ging Ende der 90er mit dem Ruhestand wieder zurück in die Türkei, und auch Recep Bakanhan besitzt dort ein Ferienhaus am Meer: „Das Klima ist dort einfach besser“, bemerkt er mit einem Schmunzeln. So seien für ihn beide Länder inzwischen Heimat. „Wir Türken sprechen von ,Mutterland’ und die Deutschen vom ,Vaterland’’, ich habe beides“, stellt er glücklich fest.
Auch in der eigenen Pubertät habe das Leben als Türke in Deutschland nie zu einer Identitätskrise geführt: „Das sind zwei kulturelle Standbeine, das ist eine große Bereicherung“, betont er.
So wachsen auch seine drei Kinder zweisprachig auf. „Es gibt viele Türken, die noch nie in dem Dorf waren, in dem ihr Vater geboren wurde, das finde ich traurig. Man sollte schon wissen, wo man herkommt“, erklärt er. Deswegen macht er mit seiner Familie regelmäßig Urlaub in der Türkei und sorgt somit dafür, dass auch sein jüngster, dreijähriger Sohn die große Vielfalt beider Kulturen kennenlernen wird.
Arbeit ist wichtig
Dies sei auch wichtig, da zunehmend die Generation der ersten Gastarbeiter sterbe. „Mein älterer Sohn hat von seinem Großvater oft erzählt bekommen, warum er in Deutschland ist“, berichtet Recep Bakanhan. Ein Problem sieht er jedoch nicht darin, dass die Erzähler mit der Zeit sterben: „Dann wird es irgendwann ganz normal sein, dass hier jemand Ali heißt, das wird sich vermischen“, betont er bewusst optimistisch.
Mit der Erfahrung seines Vaters weiß Recep Bakanhan auch, wie heutige Einwanderer zu integrieren seien: „Beschäftigung ist das A und O, dann verdient man Geld, kann eine Familie gründen. Der Rest ergibt sich automatisch.“