Noch grüner soll Karben entlang der Nidda werden. Damit das möglich wird, geschieht aber erstmal genau das Gegenteil: Gehölz und Bäume entlang des Flusses hat die Stadt in einem radikalen Kahlschlag weghobeln lassen. Überraschend: Es gibt keine laute Kritik, keinen Protest.
Karben. Wenn es der Natur an den Kragen geht, dann dauert es meist nicht lange, bis im Karbener Rathaus die Telefondrähte glühen. Und sich Naturschützer zu Wort melden, um beispielsweise gegen ihrer Meinung nach unnötige Baumfällungen zu wettern. Siehe zuletzt im Karbener Weg und auch bei den Platanen in der Klein-Karbener Straße Am Breul am Hallenfreizeitbad-Parkplatz.
Diesmal ist der Eingriff in die Natur noch viel radikaler. Vom ASB-Altenzentrum in Groß-Karben bis zum Günter-Reutzel-Sportfeld des KSV in Klein-Karben sind die Nidda-Ufer großflächig gerodet worden. Ein Kahlschlag so radikal, wie es ihn in Karben schon sehr lange nicht mehr gegeben hat.
2,5 Mio. Euro teuer
Der Nidda-Kanal sieht ohne Bäume und Büsche so kahl aus, wie nur einmal: Als der Fluss in sein heutiges, schmales Korsett gezwungen wurde, je nach Abschnitt zwischen den 1920er- und 1960er-Jahren. Mehr als 100 Bäume haben Arbeiter in den vergangenen Wochen gefällt, unzählige Büsche bis zur Krume heruntergeschnitten.
„Kurzfristig wird das schlimm aussehen“, hatte Karbens Bürgermeister Guido Rahn (CDU) zum Jahreswechsel noch angekündigt. Genau das tritt nun ein. Beim Blick die Nidda hinauf ist der Unterschied radikal sichtbar. Statt auf Bäume und Büsche geht der Blick frei zu den Häusern des Hessenrings und zum Altenzentrum.
Auf positive Reaktionen hofft man im Rathaus. Denn 2,5 Millionen Euro steckt die Stadt in die innerstädtische Renaturierung des Flusses. Statt eines begrünten Kanals soll nach der Umgestaltung ein grüner, natürlicherer Fluss das Herz der Stadt bilden.
Was ein Grund sein dürfte, dass sich die Naturschützer nun zurückhalten. Sie waren im Vorfeld in die Planung eingebunden. Und ohne den aktuellen Kahlschlag wären die Bauarbeiten unmöglich. Denn der Fluss soll auf 1,5 Kilometern Länge aus seinem Korsett befreit werden. Die Dämme werden zurückverlegt, neue Flussschleifen angelegt, Ufer abgeflacht, Inseln entstehen. An vielen Stellen soll die Nidda für die Bevölkerung direkt zugänglich werden – auch das hat es seit deutlich mehr als einem halben Jahrhundert nicht mehr gegeben.
Dass die Nidda zum Erlebnis für Menschen wird, hat die Stadt den Karbenern auch deshalb versprochen, weil die einen Kilometer lange Renaturierungsstrecke südlich von Klein-Karben von der Öffentlichkeit abgeschirmt ist. Im 2015 umgebauten Bereich sollen Tiere und Pflanzen ungestört leben.
Mit dem jetzigen Zustand hat der Kahlschlag allerdings auch schon seine „schlimmste“ Phase erreicht. „Die Rodungsarbeiten sind aufgrund des sehr trockenen und frostigen Wetters schneller vorangekommen als geplant“, teilte die Stadt kürzlich auf ihrer Internetseite mit. „Die Rodungsarbeiten sind abgeschlossen“, erklärt Stadt-Sprecher Hans-Jürgen Schenk.
Umbau ab Spätsommer
Immerhin: Die 20 wertvollsten Bäume, mehr als 20 Meter hohe Kopfweiden, haben den Kahlschlag überlebt. Sie sollen in nächster Zeit ausgegraben, während der Bauarbeiten zwischengelagert und an der neuen Nidda wieder eingepflanzt werden. Die Prozedur kostet rund 1000 Euro für jeden Baum.
An den aktuellen Zustand müssen sich die Karbener und die Nutzer des Nidda-Radwegs für die nächsten Monate gewöhnen. Denn „die Landschaftsneugestaltung beziehungsweise Baggerarbeiten gehen im Spätsommer los“, kündigt Hans-Jürgen Schenk an.
Sinn und Zweck der jüngsten Rodungsarbeiten scheinen viele Menschen zu verstehen. Bisher habe es keine Kritik daran gegeben, ist der Verwaltungschef erleichtert: „Aus der Bevölkerung sind keine Reaktionen gekommen.“ (den)