Dem Handwerk und speziell Bäckern fehlt der Nachwuchs, doch der Wetterauer Innungsmeister Uwe Rumpf hat solche Sorgen nicht. Im traditionsbewussten Österreich machte seine Tochter Julia den Konditor-Meister. Und er hat auch viele Ideen, um die Bäckerausbildung attraktiver zu machen.
Bad Vilbel. Dass sie einmal die elterliche Bäckerei in Dortelweil übernehmen würde, daran hatte Julia Rumpf (21) eigentlich nie gedacht. Ihr Vater Uwe Rumpf habe da nie Druck ausgeübt, erzählt sie. Auch nicht, als sie nach dem Fach-Abi eine Ausbildung zur Hotelfachfrau machte.
Doch dann ist es doch passiert – im Patisserie-Unterricht fand sie, „das ist eher meine Richtung.“ Im Hotel sei es ihr zu stressig, bei einem Konditor-Praktikum hingegen, „da kann man selbst etwas herstellen“, das habe ihre Kreativität angesprochen, erzählt sie.
Mit Unterstützung ihres Vaters sah Julia sich nach einer Lehre um – ausgerechnet in Österreich. Es kam nur die Jahrhunderte lange Konditoren-Tradition Österreichs zur Weiterbildung in Frage. Und sie hatte Glück. Zwar fand sie in Wien keine Stelle, aber seit über 450 Jahren gibt es die berühmte Konditorei Kastner in Bad Leonfelden bei Linz. 13 Generationen lang ununterbrochen vom Vater an den Sohn weitergegeben.
Dort lernte sie nach teils uralten Rezepten, berühmte Lebkuchen, herrliche Torten und köstliches Feingebäck zu backen. Die Österreicher seien ein genusssüchtiges Volk und ungeheuer kritisch, berichtet Julia. Wehe es stimmt etwas nicht, dann fangen sie an zu granteln. Es war eine harte Schule. Aber auch eine prägende. Ganz allein sei sie hingereist, erinnert sich Julia, „eine schwere Zeit“. Doch sei sie sehr freundlich aufgenommen worden. Und sie war beeindruckt von der Tradition. Dass auch Jugendliche ganz selbstverständlich ins Kaffeehaus gehen, dass einander Fremde sich höflich grüßen, dass in der Konditorei kein Fertigmix als Zutat geduldet wird. Auch werde mehr Wert auf die Praxis gelegt.
Bei der Prüfung galt es, an einem Tag eine Geburtstagstorte, eine Sacher- und eine Schwarzwälder Torte, Canapé und Teegebäck herzustellen – und nachmittags wurde mündlich geprüft. Drei Prüfungen legte sie im April ab, im Oktober bekam sie das Abschlusszertifikat, die „Unternehmerprüfung“. Seitdem ist sie im elterlichen Betrieb für alles Süße zuständig: von Pralinen und Plätzchen bis zu Torten.
Eine süße Versuchung, dort immer mal wieder zu naschen? „Mittlerweile nicht mehr“, meint Julia. Gekostet werde nur noch beim Abschmecken, etwa bei der Lebkuchensahne – „für die gibt es kein Rezept.“ Am liebsten koste sie den Gewürzkirschkuchen ihrer Oma, oder ganz klassisch: Bauernbrot.
Mit seiner Tochter hat Uwe Rumpf ein Problem gelöst, das seine Kollegen kreisweit plagt: die Nachwuchssuche. Das fange schon damit an, dass es in der Büdinger Berufsfachschule nur zwei, in der Friedberger vier Bäckerlehrlinge gebe, berichtet er als Wetterauer Bäcker-Innungsmeister. Sie sitzen in Mischklassen mit Verkäuferinnen zusammen. Als Praktiker hat Rumpf einige Verbesserungsvorschläge: den Blockunterricht mehrere Wochen am Stück, aber vor allem mehr Motivation.
„In Österreich werden die Lehrlinge ganz anders gefördert, es gibt in jedem Lehrjahr Wettbewerbe und Preise.“ Und wer in der Ausbildungszeit gute Noten erzielt, darf auf die schriftliche Prüfung verzichten. „Wir müssen die Praktiker nicht quälen mit Prüfungen, bei denen die Tagesform entscheidet“, betont er. Oft seien aber auch die Eltern schuld, die ihre Kindern trotz schlechter Noten weiterhin zum Schulbesuch statt zu einer Lehre drängten. „Dabei gibt es im Handwerk mittlerweile fast eine Jobgarantie, während das bei Banken und Versicherungen nicht mehr so ist“, betont er.