Bad Vilbel. Politiker wählen ihre Worte stets mit Bedacht. Wohl wissend, dass jedes Wort auf die berühmte Goldwaage gelegt wird. Jörg-Uwe Hahn (FDP) weiß das genau. Seit 35 Jahren sitzt der Vilbeler im Hessischen Landtag – in unterschiedlichen Funktionen. FDP-Fraktionsvorsitzender, Justiz- und Integrationsminister, stellvertretender Ministerpräsident. Damit soll am Ende dieser Legislaturperiode Schluss sein. Mit Blick auf den 18. Januar 2024 heißt es für Jörg-Uwe Hahn: Abschied nehmen von der Landespolitik. Jetzt könnte sich der 66-Jährige ein Statement zurechtlegen, Satz für Satz überlegen, wieso er diese Entscheidung getroffen hat. Doch Hahn überlegt nicht lange. »Es ist jetzt einfach mal gut.«
Persönliche
Entscheidung
Zwar tritt er im kommenden Jahr noch mal in seinem Wahlkreis 25 in der Wetterau an – ein direkter Wahlsieg und Einzug in den Landtag sind allerdings äußerst unwahrscheinlich. »Auf der Landesliste strebe ich einen Ehrenplatz am Ende der Liste an«, sagt Hahn. Damit ist der Rückzug aus der Landespolitik besiegelt. Eine Entscheidung, die der Politiker und selbstständige Rechtsanwalt nicht von heute auf morgen getroffen hat. Hahn – seit rund zweieinhalb Jahren Witwer – will sich mehr um seine Familie kümmern. »Ich muss mir die Frage stellen, wie es in meinem Leben weitergehen soll. Das ist eine sehr persönliche Entscheidung für mich.«
Hahn blickt auf eine lange politische Karriere zurück, hat insgesamt zehnmal für den Hessischen Landtag kandidiert. »Wenn ich 2024 ausscheide, war ich insgesamt 37 Jahre dabei.« Immer in wechselnden Positionen: FDP-Fraktionsvorsitzender, Justiz- und Integrationsminister sowie Minister für Europaangelegenheiten, stellvertretender Ministerpräsident unter Roland Koch (CDU), später unter Volker Bouffier (CDU). »Ich bin der Meinung, man muss alle zehn Jahre spätestens wechseln. Sonst wird es zu sehr zur Gewohnheit. Das habe ich in all den Jahren immer gut hinbekommen.«
Von Wiedervereinigung
bis zur Kreispolitik
Die vergangenen Jahre beschreibt er als »geile Zeit« oder »dick positiv«. Natürlich habe es Höhen und Tiefen gegeben. »Aber das Positive überwiegt natürlich.« Die deutsche Wiedervereinigung als Abgeordneter des Landtages erlebt zu haben, macht ihn stolz. »Wir waren an der Zonengrenze, in Erfurt und Weimar. Das ist ein Teil der Zeitgeschichte. Das ist definitiv etwas Besonderes.«
Natürlich habe so eine lange Zeit auch »Schrammen« hinterlassen. »Damit muss man umgehen können. Gerade die Jahre als Minister waren nicht immer leicht, aber man macht das, um etwas zu bewegen.« Hahn wurde 2009 erster Hessischer Integrationsminister. »So etwas vergisst man nicht.« Als er angefangen habe, Jura zu studieren, habe das zwei Gründe gehabt. Die Familie als Rechtsanwalt ernähren und in die Landespolitik zu gehen. »Ich habe genau das erreicht, was ich erreichen wollte.«
Aus dem Kreistag und der Bad Vilbeler Politik – Hahn ist Stadtrat in der Quellenstadt – will sich der 66-Jährige nicht zurückziehen. Im Gegenteil. »Ich bin nicht der Typ, der von heute auf morgen von 100 auf 0 zurückgeht.« Schließlich habe er im Kreistag vor 40 Jahren seine politische Laufbahn begonnen. »Wir haben noch Ideen und Durchschlagskraft.« Weiter geht’s vor dem Ende der Legislatur im Untersuchungsausschuss zum Attentat von Hanau. »Der muss bald abgeschlossen werden. Die Angehörigen sollen endlich trauern dürfen.« Zusätzlich will er sich seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat der WV Energie AG widmen.
Ein Punkt ist Hahn außerdem noch besonders wichtig. »Ich will und werde mehr Zeit für meine Freunde finden. Ich habe, besonders in den 90er und Anfang der 2000er Jahre zu viel auf meiner Familie abgeladen und zu viele Leute vernachlässigt. Das wird mir nicht wieder passieren.«
Und es könnte auch sein, dass Hahn auf Landesebene noch mal in Erscheinung tritt. Der 66-Jährige hat ein besonderes Thema ins Auge gefasst. »In mir reift der Gedanke, sich mehr für Senioren einzusetzen«, sagt er. Hahn sei Fan davon, die aufstrebende Jugend mehr einzusetzen. »Ich bin ein Freund vom Wahlalter ab 16, aber ich glaube, wir müssen uns fragen, wie wir mit den Älteren umgehen«, sagt er und fügt lachend an: »Wenn das so weitergeht, dann könnten die liberalen Senioren für Aufmerksamkeit sorgen.« Von Patrick Eickhoff