Karben. Im August vergangenen Jahres wurde für Jana Kötter ein Traum wahr. Die Sinologie-Studentin aus Karben packte ihre Koffer und flog für ein Auslandssemester nach Peking. Von dort berichtet sie nun – aus klirrender Winterkälte.
Seit fünf Monaten macht sich Jana Kötter nun jeden Morgen um viertel nach sieben auf den Weg zur Universität. Die Wohnung, die ihr von einem Programm der Frankfurter Goethe-Universität vermittelt wurde, liegt gut fünf Kilometer vom Osttor der Peking Universität Beida entfernt. Zwar fährt auf dieser Strecke auch ein Bus, jedoch steckt dieser jeden Morgen im Stau, so dass sie mit dem Rad meist schneller ist.
„Der Weg kommt mir nie lang vor, denn es gibt in meinem Viertel Wudaokou immer etwas zu sehen“, berichtet Jana. Zu Anfang sei sie aus dem Staunen nicht herausgekommen über das Leben, welches ihr hier schon so kurz nach dem winterlichen Sonnenaufgang entgegenschlage. „Bereits um halb acht herrscht auf den Straßen eine unglaubliche Lautstärke. Hier schreit ein Geschäftsmann ins Telefon und wird vom lauten Hupen der Autos übertönt, die gerade die sechsspurige Kreuzung blockieren. Eine junge Chinesin verspeist schmatzend einen Pfannkuchen als deftiges Frühstück vor der Arbeit.“
Am liebsten legt Jana Kötter den Weg zur Uni mit dem Fahrrad zurück. Das ist zwar besonders jetzt im Winter bei Temperaturen bis zu minus 20 Grad kälter, aber dafür schneller und aufregender. Ihr erstes Fahrrad wurde ihr bereits nach wenigen Wochen geklaut. Das zweite hat eine Klingel, die sie auf der gesamten Strecke fast ununterbrochen benutzt.
Der Unterricht an der Universität Beida ist speziell für europäische Studenten konzipiert. Regelsprachkurse, chinesische Konversation und inhaltliche Kurse zu Kultur, Wirtschaft und Medien Chinas gehören dazu. Keiner der Lehrer kann Deutsch, einige sogar nur wenige Brocken Englisch. Jede Frage, ganz gleich, ob inhaltlich oder grammatikalisch, wird in so einfachen chinesischen Sätzen erläutert, bis sie auch der letzte europäische Student versteht.
„Während der ersten Tage in China habe ich mich des Öfteren gefragt, wofür die letzten vier Semester meines Studiums gut waren. Das Gefühl des Verlorenseins beherrschte mehr als eine Situation des Alltags, wenn man vor lauter Nuscheln und erhöhtem Sprechtempo im wahrsten Sinne des Wortes nur Chinesisch verstand.“ Die Universität organisierte Treffen mit chinesischen Studenten, und Jana Kötter lernte Sprachpartner kennen.
„Zu Anfang war die Stimmung ganz verkrampft“, erzählt Jana. „Ein Raum, in dem wir sonst Unterricht haben, auf der einen Seite deutsche Studenten, in der Mitte eine Hand voll dänischer Studenten, rechts an der Wand etwa 40 Chinesen. Alle kicherten wie Teenager beim Flaschendrehen-Spielen. Mensch, war das peinlich. Zum Glück haben dann einige wie ich begonnen, andere anzusprechen.“ Die chinesische Mathe- und Physikstudentin Riya (20) wurde Jana eine gute Freundin und nahm sie schon nach einer Woche zum Volleyballspielen mit.
Seitdem geht Jana Kötter zweimal pro Woche trainieren und nahm sogar an Turnieren teil. „Ich bin dann jedes Mal mit meiner Körpergröße von 1,78 Metern ein bunter Hund zwischen den viel kleineren Chinesinnen.“
Riya hat ihre deutsche Freundin auch zu einem Besuch in ihre Heimatstadt in eine nördliche Provinz von China eingeladen. Dreizehn Stunden Zugfahrt sind es bis nach Harbin. Die Stadt ist berühmt für ihre Eis-Festivals.