Bad Vilbel. Eigentlich wollten die Fahrgäste der Tour des Massenheimer Awo-Einkaufsbusses nur „etwas Wurst, Käse und Brot“ holen, sagte Ilse Kühn. Nach „Presskopf, Kassler oder Leberwurst“ wollte Wilma Rach an der Metzgertheke fragen. Ilse Sitals suchte Ingwer, denn der tue gut, „wenn man drei Scheiben mit heißem Wasser übergießt“. Doch dann kam bei der Shopping-Tour alles anders.
Werner Blaim, der als Einkaufstaschen-Träger die Damen nicht schleppen lässt, lud die Käufer zum Frühstück in einem Möbelhaus ein. „Das gibt’s heut im Angebot für einen Euro“, verriet er den überraschten Fahrgästen. Ilse Guland hatte im Restaurant bei Porta einen Tisch reserviert. Also lenkte Fahrer Hajo Braden den roten Kleinbus gen Dortelweil.
Seit etwa zwei Jahren holt der AWO-Bus freitags gegen zehn Uhr die Fahrgäste an ihren Haustüren ab, um sie zum Einkaufen zu kutschieren. Der kostenlose Shopping-Service für ältere und nicht mehr so mobile Massenheimer geht auf die Initiative des Awo-Vorsitzenden Kurt Müller zurück. Ein alter Bus wurde von dem Wohlfahrtsverein angeschafft, drei Chauffeure – neben Braden und Müller auch Helmut Hinkel – wurden dafür begeistert. „Die neun Plätze sind jeden Freitag besetzt“, berichtet Blaim, „denn in Massenheim gibt es keine Einkaufsmöglichkeit. Der Weg mit dem Vilbus zu den Geschäften ist vielen Älteren zu beschwerlich.“ Neben den genannten Frauen zählen Irmgard Schaub sowie Babsi und Gerd Thomson zu den Stammgästen. Jeden Mittwoch bringt der Bus außerdem an Demenz Erkrankte zum Awo-Café in der Wiesengasse.
„Ist die Haustür zu?“ – solche Fragen stehen an jedem Halt des Busses im Mittelpunkt. „Ja, wo hab’ ich denn mein Portemonnaie“, jammerte Wilma Rach. Plötzlich winkte sie mit dem Geldbeutel und eilte herbei. „Wie kommt denn der in die Tasche rein, die ich sonst nie nehme?“ Doch sie war glücklich, dass sie ihr Geld wieder hatte. Also auf zum Möbelhaus! Dort im gläsernen Aufzug hoch zum Restaurant, wo eine Überraschung wartete. „Ei, Erika, wo kommst denn du her?“ Ilse Sitals war aus dem Häuschen, als sie ihre Zwillingsschwester vom Heilsberg beim Frühstück sitzen sah. Darauf wurde mit Prosecco angestoßen. Gerd Thomson war im Erdgeschoss bei einem Brotkorb „hängen geblieben“. „Aber der ist schlau genug, dass er uns findet“, trösteten sich die Frauen. Als der Prosecco getrunken und alle gesättigt waren, bot Porta-Geschäftsführer Gerhard Kring eine Führung durch das 25 000 Quadratmeter große Möbelhaus an. Dabei interessierten sich die Massenheimer für Bücherwände ebenso wie für Seniorenbetten. Wasserbetten und ein begehbarer Schrank versetzten die Frauen in Verzückung. Die „Matratzen-Weltneuheit Sensipur“ war für sie so verlockend, dass Thomson und Rach sich gleich drauf legten. „Oje, meine neuen Kniegelenke“, fuhr es Wilma durch den Kopf, der mit vereinten Kräften wieder aufgeholfen wurde. „Als ich noch Zehnkampf gemacht hab’, wär ich einfach hoch gesprungen“, erklärte sie.
Weil das Frühstück länger ausfiel als gedacht, kürzten die Einkaufsfahrer das Shoppen ab. „Gehen wir doch mal rüber zum Herkules“, war die Idee, der alle folgten. Kassler, Ingwer, Presskopf und Brot gab’s auch dort. „Wir haben Monatsende, da sind wir immer schneller durch den Laden“, meinte Ilse Kühn, die wie Ilse Sitals erst über die Inanspruchnahme des Busses Mitglied der Arbeiterwohlfahrt geworden ist. Wilma Rach hingegen war lange Jahre Awo-Kassiererin. „Niemand, der unseren Einkaufsbus in Anspruch nimmt, muss Mitglied sein“, betont Blaim. „Aber die Massenheimer finden diesen Service und unser Jahresprogramm so gut, dass wir im Wetteraukreis als einziger Ortsverband einen Zuwachs von 20 auf 60 Mitglieder haben.“