Karben/Niddatal. „Es ist ganz unglaublich, was hier derzeit ornithologisch abgeht.“ Gottfried Lehr vom Bad Vilbeler Büro für Gewässerökologie steht in den Niederwiesen zwischen Burg-Gräfenrode und Ilbenstadt und ist völlig aus dem Häuschen. „Das hat unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen.“ Der Nidda-Papst und Vater der Renaturierung des Flusses zeigt stolz in Richtung der beiden Weißstörche, die es sich hoch oben auf dem Horst gemütlich gemacht haben, der mit Hilfe von Energieversorger Ovag erst vergangenen Herbst aufgestellt wurde. Es ist schon das 14. Storchenpaar, das in dieser Saison in der Wetterau brütet. „Bis zu 30 neue Vogelarten haben sich bereits eingenistet“, sagt Lehr.
Wo kürzlich noch die Bagger rollten, den Damm zur Begrenzung zwischen den wieder bewässerten Auen und dem Ilbenstädter Neubaugebiet anlegten, hat sich die Tierwelt ruckzuck das Gebiet zurück erobert. „Der Kampf um den Horst war hart“, berichtet Peter Hünner von der Unteren Naturschutzbehörde (UNB). „Bis zu fünf Bewerber stritten sich zeitweise um das Nest.“ Insgesamt gebe es mit diesem Sieger-Storchenpaar nun ganze 14 Adebar-Familien in der Wetterau.
Das Problem: Viele Wetterauer wollen nun ihre Störche aus nächster Nähe sehen. „Derzeit haben wir Schilder für ein zeitweiliges Betretungsverbot vom 15. März bis 25. Juni aufgestellt. Natürlich wollen wir die Vögel schützen und beim Brüten nicht stören.“ Deshalb bittet der Ökologe Interessierte inständig – ganz besonders Reiter und Hundehalter – dies zu respektieren. „Wir wollen die Menschen nicht ausschließen“, betont Patrick Steinmetz von der Ökoagentur. „Bis 2010 werden wir offizielle Wege für Besucher ausweisen und Beobachtungsplätze einrichten.“ Die Devise sei, die Menschen an diesem einzigartigen Naturschauspiel teilhaben zu lassen, sie aber zu lenken. Dass die Ökologen dabei weder Zwei- noch Vierbeiner diskriminieren wollen, beweist ein für Hunde eingerichteter Nidda-Planschpatz.
Die Verantwortlichen des Projekts „Niederwiesen – Ilbschter Seenplatte“ sind begeistert: Von den Verhandlungen mit dem Land bezüglich einiger Hektar, dem Anschluss des 46 Hektar großen Auengebiets an das Hochwasserregime der Nidda durch die Verlegung eines rund ein Kilometer langen Hochwasserdammes, der Verlegung einer Flutrinne zum Tiefpunkt des Tales und dem Anbau von 14 Stillgewässern und Flutmulden sowie einem regulierbaren Stauwehr zur Wiedervernässung der Aue, habe alles erstaunlich unkompliziert und reibungslos geklappt. Den Erfolg des ökologischen Landesmodellprojekts beweist nicht nur der Einzug des Storchenpaares, sondern ebenso die zahlreichen Kiebitze, Löffelenten, Lachmöven und Graureiher, aber auch seltenere Vogelarten, wie Brachvögel, Grünschenkel oder ein Rotmilan, der am Himmel seine Runden zieht. (ssp)