Karben. Hektik, Stress, laute Stimmen, schrille Charaktere, turbulente Dialoge: Die Theatergruppe »Der Spiegel« der SKG Okarben feierte mit der Komödie »Es fährt kein Zug nach Irgendwo« Premiere im Bürgerhaus. Längst sind jedoch alle Tickets für die weiteren Aufführungen verkauft.
Wie ein Hurrikan wirbeln die gestrandeten Fahrgäste des ICE 6948 durch den Provinzbahnhof im Ort Einöd. In dem trostlosen Ort gibt es weder Handyempfang, noch Taxis oder Toiletten. Das stellt alle Reisenden auf eine harte Geduldsprobe. Vor allem auch, weil sich die Weiterreise auf unbestimmte Zeit verschiebt. Das Ensemble der Theatergruppe »Der Spiegel« der SKG Okarben feierte am Samstagabend im Bürgerhaus Okarben mit der Komödie »Es fährt kein Zug nach Irgendwo« von Theaterautorin und Fernsehjournalistin Winnie Abel eine gelungene Premiere. Drei Akte hielten Regisseur Bernd Pliquett und das Ensemble die Zuschauer im abgedunkelten und mit Tischen möblierten Saal in Atem. Alle fieberten mit den Fahrgästen mit und stellten sich wie diese beim Blick auf die Bahnhofsuhr immer wieder die Frage »Wann kommt der Zug?«
Schrille und schräge
Charaktere
Die turbulente Geschichte greift den durch Stromschäden an den Oberleitungen verursachten, außerplanmäßigen Halt des ICE 6948 mitten im Nirgendwo humorvoll auf. Die bunte Gruppe Reisender kann entgegengesetzter kaum sein. Die gehetzte Businessfrau Victoria (Denise Pliquett) »mein Termin in Frankfurt fängt in zwei Stunden und 15 Minuten an« trifft auf die Verschwörungstheoretikerin Hubertine (Nuska Fitzer), die Motivationstrainerin Sieglinde Sieg (Martina Bergbauer), die tollpatschige Kegelschwester Babsi (Annette Pliquett), die verfressene Keglerin Thea (Ulrike Groh), die versoffene Kegelschwester Larissa (Marie-Luise Bienstock) und die lästernde Keglerin Lara (Nailya Schnabel). Zuwachs bekommen die zwischen Euphorie und Hysterie schwankenden Damen durch das sich streitende Ehepaar Christa (Gerti Weißflog) und Klaus (Wolf Fitzner), durch die trinkenden und kartenspielenden Fußballfans Carl (Carl-Bennet Bienstock), Michael (Michael Neugebauer), Rolf (Rolf Bergbauer) und Nino (Nino Zörkler). Für Turbulenzen sorgen die amerikanische Touristin Stacy (Sandra Holly) »Germany is amazing«, die gesuchte Psychiatriepatientin Ilse (Claire Pentzel), den überkorrekten Polizisten Konrad (Franjo Obermann), der kurz beim Anblick der Thermi-Fee auftaut, deren Rezepte er immer nachkocht, und den Psychopathen Nicki (Niklas Steinbrecher).
Hauptleidtragender des Fiaskos ist Landstreicher Reinhold (Stefan Schnabel). Befeuert wird das Treffen der schrägen Charaktere durch mangelnde Sprachkenntnisse, polizeiliche Informationen und deprimierende Lautsprecherdurchsagen (Karin und Andreas Czuba). Selbst die Entspannungsübungen mit Motivationstrainerin Sieglinde Sieg sind nur von kurzer Dauer. Die gestressten Kegeldamen setzen zur Beruhigung ihrer Nerven lieber auf Zigaretten und Drinks. Und die Fußballfans verbringen die Wartezeit lieber bei Kioskbesitzerin Luzie.
Die erlösende Durchsage, dass der Regionalexpress kommt, hat einen bitteren Beigeschmack. Hält er doch im nächsten Ort Oberöd.
Der Clou: Zuschauer
werden einbezogen
Das Publikum wird immer wieder unerwartet ins Spielgeschehen eingebunden. Dazu Regisseur Bernd Pliquett, der seit 2007 Regie beim SKG-Theaterensemble führt: »Das Publikum wird von der ersten Szene an in die Handlung eingebunden. Eingefügt habe ich im dritten Akt eine mysteriöse Person, die in der Originalhandlung nicht vorkommt.« Mit anhaltendem Applaus, dem immer wieder einmal ein Zwischenapplaus in einigen Szenen vorausging, bedankte sich das Publikum bei dem Ensemble und dem Backstage-Team für den heiteren Zeitvertreib durch das witzige Nervenchaos.
Für alle, die noch keine Karte haben: Alle Vorstellungen sind ausverkauft.
Von Christine Fauerbach