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„Heimliche“ Übernahme

Nun gehört auch das Gronauer Stromnetz zu den Stadtwerken

Das 2010 eröffnete Umspannwerk der Stadtwerke im Quellenpark versorgt jetzt alle Stadtteile mit Strom. Foto: Deul
Das 2010 eröffnete Umspannwerk der Stadtwerke im Quellenpark versorgt jetzt alle Stadtteile mit Strom. Foto: Deul

Für Gronau ist es ein kleiner, aber historischer Schritt: Mit der Übernahme des dortigen Stromnetzes durch die Stadtwerke endet eine geografische Trennung.

 

Bad Vilbel. Am Ende war es bloß ein dekorativer roter Plastikschalter, auf den Bürgermeister Thomas Stöhr und der Gronauer Ortsvorsteher Karl Peter Schäfer unter den Blicken von Stadtwerke-Geschäftsführer Ralph Franke drückten. Er symbolisierte, was faktisch bereits seit einigen Tagen vollzogen ist, die Anbindung des Gronauer Stromnetzes an das Umspannwerk der Stadtwerke. Bisher kam der Strom aus dem Umspannwerk in Bischofsheim, das dem bisherigen Netzbetreiber ENM gehört.

Im Herbst wurden die letzten Arbeiten für das seit sechs Jahren geplante Vorhaben getätigt. Die Stadtwerke verlegten gleich zwei 2,35 Kilometer lange Mittelspannungsleitungen, um das Gronauer Netz anzubinden. Zwar konnten die Stadtwerke schon seit 2009 Strom nach Gronau einspeisen, doch damals hatte der Eon-Konzern keinerlei Interesse, sein Netz abzugeben.

60 % der Anschlüsse

Doch die Vilbeler waren raffiniert, haben sukzessive neue Kunden geworben, bis sie 2013 plötzlich die Mehrzahl der Gronauer belieferten und somit den Status des Grundversorgers errangen, erläutert Stadtwerke-Vertriebsleiter Andreas Barowski: „Das lief heimlich, das hat Eon gar nicht gemerkt, bis die Stadtwerke sagten: ,Prüfen Sie mal, wer Grundversorger ist!‘“ Derzeit sind rund 60 Prozent der Gronauer Kunden der Stadtwerke, insgesamt gibt es in dem Ortsteil 700 Hausanschlüsse und 1200 Haushalte, erläutert Franke. 67 Prozent des Stadtwerke-Stroms bestehen aus erneuerbaren Energien.

Derzeit beliefern die Stadtwerke Bad Vilbel auch in umliegende Kommunen von Nieder-Erlenbach bis Niederdorfelden und ab sofort auch in den gesamten Main-Kinzig-Kreis. Bis dahin war es aber ein langer Weg, an den Bürgermeister Stöhr erinnerte: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.“ Mit dem Anschluss endet eine historisch bedingte Parallelstruktur. Gronau kam im 15. Jahrhundert zur Grafschaft Hanau. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, 1618 bis 1648, und den Napoleonischen Kriegen, 1803 bis 1815, wurde Gronau im 19. Jahrhundert in die preußische Provinz Hessen-Nassau eingegliedert. Erst 1971 wurde Gronau durch die Gebietsreform mit Dortelweil und Massenheim nach Bad Vilbel eingemeindet, wurde aber weiter von der Elektrizitäts-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland versorgt, einem Verbund des Versorgers Eon Mitte und mehrerer Kommunen – seit 2013 Energie-Netz-Mitte (ENM).

Seit Ende 2014 verhandelten die Stadtwerke um den Ankauf, ein Verfahren, das Stadtwerke-Chef Ralph Franke als „zäh“ bezeichnete. Für einen „mittleren sechsstelligen Betrag“ erhielten die Vilbeler schließlich doch das noch fehlende Netz.

Im restlichen Stadtgebiet bewirtschaften die Stadtwerke das 170 Kilometer lange Stromnetz, das sie 1999 vom Friedberger Versorger Ovag übernahmen – für die Summe von 22 Millionen Mark. An den Ovag-Vorgänger Oberhessische Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (OVVG) hatte die Gemeinde Vilbel ihr Netz in den 1930er-Jahren verkauft, um mit dem Erlös den Bau des Freibades zu finanzieren.

Doch auch heute finanziert der Versorger auch gesellschaftliche Aufgaben mit. Ortsvorsteher Schäfer erinnerte daran, dass Nachzahlungen aus den Konzessionsabgaben den Neubau des Gronauer Kinderhauses ermöglicht hätten. Auch trügen die Stadtwerke das 600 000-Euro-Defizit des Vilbus, neben vielen kleineren Zuwendungen von der Eisbahn bis zu den Gronauer Kerbeburschen.

Für den Kauf sprächen auch Aspekte der Stadtentwicklung, erklärte Franke. Wenn die Stadtwerke nicht nur für Gas und Wasser, sondern auch für Strom zuständig seien, könne aus einer Hand geplant werden. Straßen müssten nicht mehr zu verschiedenen Zeitpunkten aufgerissen werden. Bauherren haben für den Anschluss nur noch einen Ansprechpartner. (dd)