Schöneck. Am späten Abend ist in Büdesheim immer wieder ein scharfes Zischen vom Turm der evangelischen Kirche zu hören. Wer nach oben schaut, entdeckt mit etwas Glück in der Luke eines Lamellenfensters einen weißen Schatten. Es ist die Schleiereule, die die Nacht zum Tage macht und von hoch oben einen Blick auf ihr Jagdrevier wirft. Sie hat mit ihrem Partner im Turm ein für sie ideales Terrain besetzt und scheint sich auch nicht an den Glockenschlägen zu stören.
Von der Herberge in Kirchtürmen profitieren Turmfalken, Schleiereulen und Fledermäuse schon mehrere Jahrzehnte. Seit 2007 haben sich der Naturschutzbund (NABU) und Kirchen zur Aktion „Lebensraum Kirchturm“ zusammengeschlossen. In fast allen Bundesländern bekunden schon mehr als 200 Kirchen (in Hessen 35) mit einer Plakette ihr Engagement im Artenschutz. Sie zeigt einen Kirchturm mit Silhouetten von Turmfalke, Schleiereule und Fledermaus.
„Die Intensivierung der Landwirtschaft und die gestiegene Anwendung von Pestiziden haben die Lebensräume der Vögel stark verändert“, sagt Ulrich Paul vom Vogelschutzverein Schöneck. „Die natürliche Nahrung der Schleiereulen wie Spitz- und Feldmäuse schrumpft – und wo keine Mäuse, da keine Eulen.“
Die Schleiereule ist die weltweit am meisten verbreitete Eule. 30 Unterarten verteilen sich auf fünf Kontinente. Ihren Namen verdankt sie dem herzförmigen, weißen Gesichtsschleier. Sie hat keine Ohrfedern und nimmt wegen ihrer Besonderheiten eine eigene Stellung gegenüber den anderen Eulen ein. Sie lebt gerne in der Nähe von Menschen und wählt daher ihre Brutplätze innerhalb menschlicher Siedlungen. Schleiereulen sind so genannte Aussitzjäger, die ihre Beute genau orten und anpeilen können. Durch ihre Federstellung ist ihr Flugapparat lautlos.
Schon in den achtziger Jahren hatte ein Schleiereulenpärchen den Büdesheimer Kirchturm als Untermieter besetzt. Pfarrer Ernst Rohleder hatte den Tieren in persönlicher Initiative einen Brutkasten in den Kirchturm gestellt, nachdem er den Tipp von der „Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz gelesen hatte. „Ich fand die Idee sehr gut“, sagt er. Während in Büdesheim pro Jahr ein Schleiereulenpaar brütet, leben in den Kilianstädter und Oberdorfelder evangelischen Kirchen Turmfalken. In beiden Niederdorfelder Kirchen wechseln sich Schleiereulen und Turmfalken ab. Die Vogelschützer kümmern sich um die Pflege und Beringung. In regelmäßigen Abständen kraxelt Ulrich Paul in den Kirchturm und kontrolliert die Brutkästen.