Weil die Bahnstrecken im Rheintal an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, sucht der Bund nach neuen Routen für die Güterzüge. Eine hat er nun in den Blick genommen: Via Hanau und Friedberg durch die Wetterau nach Siegen ins Ruhrgebiet. Das lässt in der Region die Alarmglocken läuten: Droht mehr Lärm?
Bad Vilbel/Karben/Nidderau. „Katze ist aus dem Sack: Güterzugmagistrale durch die Wetterau und Frankfurt soll kommen.“ Die Warnung des Frankfurter Aktionsbündnisses „Bahnane“ gegen den Ausbau der S-Bahn Strecke S 6 zwischen Frankfurt und Friedberg klingt wirklich schockierend. Deshalb lädt das Bündnis auch gleich für Sonntag zu einer Informationsveranstaltung nach Bad Vilbel ein.
Was die Ausbaugegner so in Aufregung versetzt: Der Bund plant, als Entlastung für die Bahnstrecken im Rheintal eine Alternativroute auszubauen. Dafür soll das Rhein-Main-Gebiet via Gießen und Siegen mit dem Ruhrgebiet verbunden werden. Der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), hat diese Lösung als eine von zweien als Ergebnis einer Studie vor wenigen Tagen vorgestellt.
Für „Bahnane“ ist es damit „amtlich“: Damit „würde die Main-Weser-Bahn durch Frankfurt und die Wetterau zur Transitstrecke für internationalen Güterzugverkehr“ – mit „einer drastischen Zunahme von Lärm und Erschütterungen“, also wohl auch für die Anwohner in Bad Vilbel und Karben. Weil das in den Ausbauplänen für die S 6 nicht berücksichtigt sei, seien jene Pläne nun Makulatur.
Ausbau & Lärmschutz
„Diese Behauptung ist völlig falsch“, sagt Bastian Zander, Sprecher der Stadt Bad Vilbel. Er bittet die Initiative, sich zunächst selbst besser zu informieren, bevor sie die Öffentlichkeit falsch unterrichte. Denn die Bahn-Pläne beinhalteten ja die Strecke Hanau–Friedberg. Sie hätten mit der Strecke zwischen Frankfurt und Friedberg gar nichts zu tun, erläutert Ekkehart Böing, zuständig für Verkehrsplanung im Karbener Rathaus. „Wegen des starken Personenverkehrs bestehen hier kaum Kapazitäten für weitere Güterzüge.“ Das ändere auch der Bau der beiden neuen Gleise exklusiv für die S 6 nicht. „Das bringt ja auf der Fernbahntrasse nur eine Kapazitätserweiterung von zwei bis vier Zügen pro Stunde und Richtung“, sagt Böing. Von Anfang an hatte der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) angekündigt, mindestens Teile dieser neuen Kapazitäten für weitere Regionalzüge nutzen zu wollen. Sollten dennoch mehr Güterzüge auch via Bad Vilbel und Karben fahren, sei der S 6-Ausbau eher ein Pro- als ein Kontra-Argument, findet der Karbener. „Damit erhalten die Anwohner umfassenden Lärmschutz.“ Denn schon heute habe die Strecke noch Kapazitäten frei, jedoch nachts. In dieser Zeit könnten jederzeit viel mehr Güterzüge fahren, ohne dass die Anwohner vor deren Lärm geschützt seien. „Da hilft der Ausbau allen sehr.“
Und was ist mit den Anwohnern in Nidderau, Niddatal, Friedberg, Bad Nauheim und Butzbach? Zumindest laut Staatssekretär Ferlemann müssen die sich keine Sorgen machen: „Der Ausbau ist mit einem deutlich verbesserten Lärmschutz verbunden.“
Dennoch ist man zum Beispiel in Nidderau hellhörig geworden – wenn auch schon seit längerem. „Wir haben die Bahn schon 2014 angeschrieben und um Informationen gebeten“, sagt Katja Adams vom Umweltbüro der Stadt. Denn die Kommune selbst habe keine Chance, direkt auf die Planungen Einfluss zu nehmen.
Mit großem Interesse hat man im Nidderauer Rathaus die Ergebnisse der jüngsten Studie zur Entlastung im Mittelrhein-Tal gelesen. Schließlich könnten viele Menschen in Heldenbergen und Windecken vom Lärm des verstärkten Güterzugverkehrs betroffen sein. Auf den vom Staatssekretär angekündigten Lärmschutz werde man achten, verspricht Katja Adams.
„Flüster“-Waggons
„Mit der Lärmschutzwand im Baugebiet in Ostheim haben wir sehr positive Erfahrungen gemacht.“ Für die Anwohner sei es dadurch ruhig geworden, weiß die Nidderauer Fachfrau.
Sie hat auch Hoffnung, dass technischer Fortschritt den Nidderauern helfen könnte. Bis die Strecke ausgebaut sei, dürfte es bis ins nächste Jahrzehnt dauern. Und die Bahn habe gegenüber der Stadt angekündigt, alle Güterwagen mit neuen Flüsterbremsen auszustatten, sagt Adams. „Mit zehn Dezibel weniger soll sich der Lärm halbieren.“ (den)