Die Stadt kann weiter alle Verhandlungen zur Ansiedlung eines chinesischen Handelszentrums im Gewerbegebiet Quellenpark führen. Ein Antrag der Grünen, die Gespräche einzustellen, wurde im Parlament von CDU, SPD, FDP und FW einhellig abgelehnt. Lediglich Karola Götz vom Grünen-Abspalter Die Neue Fraktion (DNF) stimmte mit ihrer Ex-Fraktion.
Bad Vilbel. Es sei wie eine Geschichte aus 1001 Nacht, sagte Manfred Kissing (Grüne). Mit Investitionen von 700 Millionen Euro des Pekinger Geschäftsmannes Lu Chiangqing und seines Konzerns Zhongqi auf der „großen Brachfläche Quellenpark“ könnte Bad Vilbel seinen Schuldenberg abbauen.
Auf seiner Chinareise Ende Mai habe Stadtrat Klaus Minkel (CDU) den Investor gewonnen. Mit ins Boot genommen werden solle die Elf-Millionen-Einwohner-Stadt Linyi, deren Stadtobere jedoch durch schwere Menschenrechtsverletzungen von sich reden machten. So sei der blinde Rechtsanwalt Chen Guangcheng jahrelang unter Hausarrest gestellt worden, bis ihm die Flucht in die USA gelungen sei. Mit dieser Stadt habe Minkel für Vilbel ein Abkommen geschlossen, ohne das Stadtparlament zu informieren.
Abgesehen von anderen chinesischen Investitionsprojekten, etwa der Galopprennbahn in Frankfurt-Niederrad, sei Minkels Engagement vor dem Hintergrund der besonderen Beziehungen zwischen China und Hessen zu sehen: einerseits Kontakte zum Dalai Lama und Einsatz für die Interessen der Tibeter, andererseits China.
Wankelmütige Grüne
Es sei „ein starkes Stück, der Landesregierung moralisierend vorzuhalten, wie sie sich mit den Menschenrechten in China auseinandersetzt“, antwortete FDP-Fraktionschef Jörg-Uwe Hahn, der stellvertretende Ministerpräsident. Die Grünen wüssten sehr gut, dass China beispielsweise in der Klimaschutzdiskussion gebraucht werde. „Was soll also diese Diskussion?“, fragte Hahn und gab selbst die Antwort: „Sie wollen nur blockieren, und dafür ist Ihnen kein Argument zu abwegig.“
Walter Lochmann (SPD) findet „zu viel Moral“ in der Argumentation der Grünen. Er verlangte Einsicht in die Pläne und Antworten auf drängende Fragen. „Wenn wir die Informationen haben, können wir abwägen und entscheiden. Aber wir sollten keinen Investor ablehnen, weil er aus China kommt.“ Die Grünen gingen den umgekehrten Weg. „Durch Ihr frühzeitiges negatives Votum wird jede Diskussion sinnentleert.“
Ihr Antrag laufe auf eine Kontaktsperre mit China hinaus. Mit dieser Einstellung hätte es Willy Brandts Ostpolitik eines „Wandels durch Annäherung“ nie gegeben. Es sei bedauerlich, dass die Grünen nichts aus der Geschichte gelernt hätten.
Tobias Utter (CDU) stellte fest: „Wir müssen mehr Aufmerksamkeit auf China richten und dem Land Akzeptanz und Respekt als legitimem Akteur entgegenbringen. Die internationale Gemeinschaft sollte China offen einbeziehen und die Möglichkeit geben, entsprechend seiner gewachsenen Bedeutung Regeln mitzugestalten.“ Diese Worte stammten nicht von ihm, sondern seien ein Zitat aus einem Beschluss der Grünen-Bundestagsfraktion vom 8. Mai dieses Jahres. „Hätten die Grünen in Bad Vilbel nur einen Hauch der Qualität ihrer Bundespartei, könnten wir im Stadtparlament entspannter miteinander umgehen“, stellte Utter fest. Auch er plädierte dafür, auf der Grundlage weiterer Verhandlungen zu entscheiden, „ob das chinesische Engagement gut für unsere Stadt ist“.
Was für Vilbel gut ist
Im gleichen Sinne äußerte sich Martin Gecks (FW). Seine Fraktion wolle keine große Politik machen, sondern sehen, was für die Bad Vilbeler am besten sei. Der Magistrat habe die Pflicht, Investoren für den Quellenpark zu suchen, weil sich die Stadt ein brachliegendes Gewerbegebiet nicht leisten könne. „Ich kann die Bedenken verstehen“, sagte er. „Aber die Voraussetzung für ein Geschäft ist Vertrauen. Und wenn das geschaffen ist, können auch Dinge angesprochen werden, die auf der Seele brennen.“
Dass bisher keine Informationen weitergegeben wurden, liege an der Vertraulichkeit der Verhandlungen, erklärte Minkel. „Jedes andere Vorgehen wäre unprofessionell und würde jeden Investor vertreiben.“ Sobald der Magistrat Ergebnisse vorzuweisen habe, werde die Öffentlichkeit informiert, während sich der Haupt- und Finanzausschuss und dann das Stadtparlament damit befassten. Auf eine Frage von Lucia André (SPD) erklärte Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU), die Verhandlungen mit dem Möbelhaus Segmüller über eine Ansiedlung seien nicht tangiert.
Nachdem noch etliche Fragen gestellt worden waren, forderte Hahn die Antragsteller auf zu entscheiden, ob sie Informationen oder einen Abbruch der Verhandlungen wollen. „Sie können nicht Fragen stellen, wenn Sie die Tür zugeschlagen haben“, so Hahn. Darauf stimmte das Parlament ab.