Bad Vilbel/Mainz-Kinzig. Der Gasmarkt gerät in Bewegung. Mit dem Versprechen, als erster unabhängiger Anbieter den Gaspreis vom Ölpreis abzukoppeln, ging das Gelnhausener Unternehmen Bürgergas im vergangenen Mai an den Start. In den Main-Kinzig-Gemeinden Niederdorfelden, Nidderau und Schöneck nutzten schon 100 Haushalte das Angebot, berichtet Geschäftsführer Tilmann Haar. In Karben und Rosbach habe er seit September immerhin schon 20 Haushalte gewonnen – gegen die harte Konkurrenz des Energieversorgers Mainova: „Die haben uns wegen einer Anzeige in der FNP verklagt“, erzählt Haar, der ehemalige Sprecher der Gelnhausener Initiative Bund der Energieverbraucher.
Nur einen weißen Fleck gibt es noch: Bad Vilbel. Er könne dorthin liefern, aber es lohne sich nicht, so Haar. Denn die Vilbeler Stadtwerke seien eine „ganz große Ausnahme unter den Gas-Anbietern“. Dort gebe es die „außergewöhnliche Situation“, dass man sich bei der Preisgestaltung zurückgehalten habe, lobt der Wettbewerber.
Ohnehin lohne sich der Wechsel zu „Bürgergas“ auch nur bei einem größeren Verbrauch. Bei Einliegerwohnungen oder Energiesparhäusern lohne sich der Wechsel nicht, sondern erst bei einem Jahresverbrauch ab 22 000 Kilowattstunden. In Bad Vilbel liege man mit Bürgergas um 126 Euro jährlich unter dem Standardtarif der Stadtwerke, kalkuliert Haar. In Karben könne man schon 314 Euro im Jahr gegenüber dem Mainova-Standardtarif sparen. Sehr günstig sei Bürgergas etwa in Franken. Verbraucher zahlten über 500 Euro im Jahr weniger. Der Wechsel des Anbieters sei legitimes Verbraucherrecht: „Beim Tanken macht man das ja auch“, so Haar. Allerdings habe sich das auf dem Gas-Markt noch nicht richtig durchgesetzt. Während zehn bis 20 Prozent der Stromkunden ihren Versorger gewechselt hätten, liege die Quote beim Gas bei nur ein bis zwei Prozent. Es gebe auch technische Barrieren im Wettbewerb, so Haar. So liefere Bürgergas H-Gas, doch nördlich der Linie Büdingen, Limeshain, Rosbach werde L-Gas mit niedrigerem Brennwert eingespeist.
„Günstigere Gaspreise sind ein zweischneidiges Schwert“, gibt Klaus Minkel, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Vilbel, zu bedenken. Solche Angebote funktionierten nur zu Überschusszeiten, wenn Anbieter, zum Beispiel auf dem Spot-Markt, ihre Lager räumten. Deutsches Gas werde schon in wenigen Jahren ganz vom Markt verschwunden sein, auch das niederländische Angebot gehe zurück, so Minkel. So steige die Abhängigkeit von Russland weiter an.
Auch die Anbindung des Gaspreises ans Öl sei sinnvoll, weil es beim Gas keinen Weltmarktpreis gebe und nur wenig Importländer. Durch die Preis-Koppelung sollen willkürliche Anstiege verhindert werden. Bei einem Preisvergleich solle man auf Haken achten, rät Minkel. Festpreise seien bei derzeit fallenden Angeboten ungünstig. Die Jahres-Vorauskasse könne sogar auf ein Schneeballsystem hindeuten. Zudem seien viele Anbieter nur über Call-Center erreichbar. Darüber hinaus schädige jeder, der sich von den Stadtwerken verabschiede, auch die Stadt und deren Leistungen für die Bürger. Die Bad Vilbeler Stadtwerke finanzierten mit ihren Einnahmen vieles, vom Vilbus bis zum Haushalt, erinnert Minkel.