Mit dem Musical „Singin’ in the Rain“ gelang Regisseur Benedikt Borrmann eine rasante Reise durch das Hollywood am Ende der Stummfilm-Ära. Eine eitle, unfähige Diva, ein verunsicherter Stummfilmstar und eine begabte Debütantin hadern mit ihren Gefühlen und der neuen Zeit. Die aufgeregten Choreografien von Annette Taubmann sorgen für Tempo und Esprit, die der Handlung oft fehlen.
Bad Vilbel. Nein, der befürchtete Regen kam nicht, auch wenn der Titel des 1952 mit Gene Kelly gedrehten Film-Musicals dazu gepasst hätte. Dafür zauberten Regisseur Benedikt Borrmann und seine Choreografin Annette Taubmann ein Gewitter tänzerischer Fantasie auf die Bühne, bei dem die Quellenkönigin 2009, Simone Appel, Gespür für Rhythmus und Timing zeigte.
Zuvor mussten die Besucher der fast ausverkauften Premiere kurz Geduld zeigen; die Hitze habe die Technik matt gesetzt, sagte Intendant Claus-Günther Kunzmann. Der Projektor streikte. Das technische Requisit war eine zentrale Neuerung, schließlich ging es um die letzten Tage des Stummfilms anno 1927 in Hollywood.
Sascha Luder spielt den Filmstar Don Lockwood sehr natürlich, fast zurückhaltend, lässt den Helden auf das Normalmaß eines ehrlichen Zeitgenossen schrumpfen. Im Kontrast dazu seine Filmpartnerin Lina Lamont, die Venera Jakupov als exaltierte, eingebildete Diva spielt – noch dazu mit einem Sprachfehler. Er bedingt ein doppeltes Handicap: Lina kann nicht akzeptieren, dass ihr Filmpartner Don nur für die Klatschpresse ein verliebtes Paar mimt. Als plötzlich der Tonfilm aufkommt, muss ihre Stimme gedoubelt werden. Ausgerechnet von Kathy Selden, die Janice Rudelsberger als burschikose Debütantin spielt, die ehrliche Schauspielkunst dem künstlichen Film vorzieht – aber nur kurz, bis sie sich in Don verliebt.
Klischees zum Feiern
Spätestens der Schlussapplaus aber zeigte, dass noch ein zweites „Pärchen“ die Gunst der Zuschauer hat: Don und sein Partner Cosmo, den David Hardenberg mit überschwänglichen Stepp-Einlagen zum Leben erweckte. Ein typisches Buddy-Duo, zwei unternehmungslustige Kumpels, die sich gegenseitig motivieren, trösten und zum Schabernack treffen. Die eigentliche Handlung des Films gerät dabei in den Hintergrund, auch, weil sie bewusst dick aufträgt und Klischees resolut ausspielt. Etwa, wenn die bedauernswerte Lina bei den Dreharbeiten zum ersten Tonfilm zunächst das Mikro nicht beachtet, später dann mit Nebengeräuschen und überdrehter Stimme ein Fiasko auslöst. Und zum Sprachlehrer muss, den Christian Petru als wienerische Variante des Professor Higgins aus „My Fair Lady“ gibt – mit rasanten Zungenbrechern – eine der Szenen, in denen auch der Chor „Vil-belCanto“ routiniert auftritt. Zunächst aber überzeugten die Sänger in Trenchcoats als Fan-Meute.
Musikalisch hat Niclas Ramdohr aus dem Stück erfreulicherweise keine komplette deutsche Version gemacht, lässt den Klassiker „Singin’ In The Rain“ in Englisch, wie auch einen Großteil der anderen Songs, wie dem „You Are My Lucky Star“. Das lässt im Zusammenwirken mit dem auf Strass, Frack und dominanten, Farben setzenden Kostümbild (Anja Müller) so viel wie möglich von der verschwenderischen Lebensfreude und der Extravaganz der kolportierten Hollywood-Ära spüren. Das Ensemble machte seine Professionalität durch Leichtigkeit sichtbar, mit der auch komplexe Tanzszenen über die Bühne gingen.
Das Musical wird in Bad Vilbel zum getanzten Lebenstraum, angesiedelt in symbolhafter Kulisse, die immer wieder ironisiert wird: Die Buchstaben von „Hollywood“ als Bühnendekor, stehend, zum Sitzen, als Schrank. In der Mitte der Bühne der rote Vorhang, darüber die Kino-Leinwand.
Das Ende wird besonders rasant, der aufgebrochene Konflikt beider Actricen scheint wie von Zauberhand aufgelöst im großen und imposanten Schlusstableau
Nächste Aufführungen von „Singin’ In The Rain“ sind am 6. Juli, 20.15 Uhr, und 7. Juli, 19.15 Uhr. Karten kosten im Vorverkauf 28 bis 40 Euro.