In meinem Sommerurlaub war ich in diesem Jahr in Irland. Vor der Westküste, ungefähr 12 Kilometer vom Festland entfernt, liegen zwei Inseln im Atlantik. Die Skelligs sind zwei steil aus dem Wasser aufragende Felsenberge, die fast 300 m hoch sind. Die Felsen sind wegen der steilen Küsten kaum zugänglich. Und doch haben im 6. Jahrhundert Mönche diesen Ort gewählt, um ein Kloster zu bauen. 600 in die Steilhänge gebaute Stufen führen auf die Spitze des Berges, wo in Schwindel erregender Höhe die Ruine eines Klosters steht. Bis ins 12. Jahrhundert hat hier eine Handvoll Mönche gelebt. Das Essen war spartanisch, der Komfort primitiv und die Kälte und Nässe waren ständige Begleiter. Wem das alles noch nicht abgeschieden genug war, konnte noch 40 Meter höher klettern auf die Zinne des Berges. Auf einer Fläche von vier Quadratmetern hatte man dort eine Zelle für Eremiten gebaut. Wer heute auf einem kleinen Motorboot die Insel ansteuert und die Stufen hinaufkeucht, fragt sich unweigerlich: „Wie kommt es, dass Menschen ausgerechnet diesen Ort ausgesucht haben, um Gott nahe zu sein? Hätte man das nicht einfacher haben können?“ Vielleicht hätte man diese Frage auch schon im 6. Jahrhundert stellen können. Aber ich habe den Eindruck, dass es vor allem eine sehr moderne Frage ist. Wir können uns gar nicht mehr vorstellen, dass Menschen solche Entbehrungen auf sich nehmen, um Gott nahe zu sein. Das wirkt aus heutiger Sicht radikal – ja fast fundamentalistisch. Viel näher liegt uns doch die Vorstellung einer Instant-Spiritualität, wo wir bei geringstem Aufwand den größten Nutzen erzielen wollen: Ein wenig inneren Frieden und Ausgeglichenheit zum Beispiel. Wie kommen wir eigentlich auf die Idee, dass die Suche nach der Gegenwart Gottes in dieser Welt eine leichte Übung ist? Das Gegenteil ist der Fall, diese Suche kann manchmal viel Arbeit bedeuten. Gebet kann Arbeit sein. Vor allem für uns, die wir es verlernt haben. Heute gehen immer mehr Menschen in Klöster, um dort für ein paar Tage Ruhe zu finden. Natürlich ist die Entsagung nicht so groß wie bei den irischen Mönchen. Aber mit Arbeit ist es dennoch verbunden, diese Tage frei zu schaufeln und sich auf die strengen Abläufe im Kloster einzulassen. Wir brauchen Orte, an denen wir in Gottes Gegenwart eintauchen können. Für den einen ist es eine bestimmte Kirche. Für den anderen eine Ecke im eigenen Haus. Für den anderen ein Kloster, in dem er regelmäßig zu Gast ist. Ich wünsche Ihnen, dass Sie für sich diesen Ort finden. Es ist der Anstrengung wert.
Pfarrer Jens Martin Sautter
Evangelische Christuskirchengemeinde Bad Viblel