Karben. Auf Blankopapier elf Monate später hat er die Unterschriften nachgereicht: Offenkundig mit allen Tricks ist Karbens früherer Bürgermeister Roland Schulz (SPD) bei den Kreditgeschäften bei den Stadtwerken vorgegangen. Das hat ein Akteneinsichtsausschuss der Stadtverordneten herausgefunden.
„Das ist wohl einzig in der bisherigen Geschichte der Stadt.“ Michael Ottens (FW), Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses des Parlaments, verliest am Freitagabend vor seinen Stadtverordnetenkollegen den siebenseitigen Bericht des Akteneinsichtsausschusses. Dass es den überhaupt gibt, ist allein bemerkenswert. SPD- und Grünen-Mitglieder haben ihn mit abgesegnet. Wenn auch in diversen Punkten die Meinungen von „Mehrheit“ und „Minderheit“ der Mitglieder variieren. Und Rot-Grün mag den Bericht an sich nicht als Schlussbericht eines Akteneinsichtsausschusses ansehen, sondern nur als „Stellungnahme der Mitglieder der Betriebskommission“, also jenes Gremiums der Stadtverordneten, das die Stadtwerke kontrolliert.
Das alles ficht Michael Ottens nicht an. „Die Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen genau“, sagt er. Unter seiner Leitung hatten die Stadtverordneten bereits die umstrittenen Geschäfte von Schulz bei den Krediten der Stadt untersucht. Solche Geschäfte nahm Schulz auch bei den Stadtwerken vor. Da hatte er aber ein Problem: Er führte die Stadtwerke über seinen Mitarbeiter Werner Klees und kontrollierte sie zugleich als Chef der Betriebskommission.
Daher erkennen die Stadtverordneten „massive Interessenkonflikte“ an, die wohl dazu führten, dass Schulz nachträglich die Geschäfte geradebiegen wollte. Die hatte er im März 2006 vereinbart, der Magistrat beschloss die Verträge aber erst im Februar 2007. Was dann passierte, berichten Akten: Stadtwerkechef Klees wies einen Mitarbeiter an, die fehlenden Unterschriften von Schulz und Erstem Stadtrat Gerd Rippen (Grüne) auf Blankobögen nachträglich in die Unterlagen der Helaba einfügen zu lassen.
„Nicht tolerierbar“ findet das der Ausschuss. Der Zeitpunkt der Korrektur war kein Zufall: Wenige Tage zuvor hatte Schulz erstmals eingeräumt, dass er auch die Stadtwerke-Kredite vorzeitig verlängert hatte.
Leicht hatten es die Stadtverordneten nicht beim Aktenstudium: In den Unterlagen fanden sie „diverse inhaltliche Lücken“ sowie ältere Schriftstücke, die am Seitenrand mit Datumsangabe „März 2010“ abgestempelt seien. Der Ausschuss vermute, dass Schulz und Klees kurz vor ihrem Arbeitsende die Akten „gesichtet und vervollständigt“ hätten, sagt Ottens. „Vorsätzliche Verschleierung“ wirft er Schulz und Klees vor, weil diese Schriftstücke zügig vernichtet hätten. Das „bemängeln“ auch SPD und Grüne: Die Kontrollkompetenz des Parlaments sei behindert worden.
Ersichtlich sei in den Akten dennoch, dass Klees und Schulz die Korrektur der Jahresabschlüsse „behindert und gezielt verzögert“ hätten. Jene trieb die Koalition aus CDU, FW und FDP voran, um die Wahrheit über die Kreditgeschäfte zu erfahren – wobei der seinerzeitige Wirtschaftsprüfer zunächst falsche Angaben als korrekt attestiert hatte (die FNP berichtete).
Unterm Strich habe Schulz gezielt falsche Auskünfte gegeben, Akten entfernt und „vermutlich vernichtet“ – nun liege „die ganze Wahrheit“ vor, findet Michael Ottens. Er sieht Schulz als haftbar für den verursachten Schaden an, „darauf haben alle Gebührenzahler Anspruch“. Hätte der Bürgermeister die Kredite regulär auslaufen lassen, hätte die Stadt bis heute niedrigere Zinsen herausholen können. Wenigstens eine halbe Million Euro Schaden machte der Ausschuss schon vor drei Jahren aus.
Ob eine solche Haftung machbar ist, dafür will CDU-Chef Mario Beck fachliche Ratschläge einholen. „Es macht ja nur Sinn, wenn das vor Gericht durchsetzbar wäre.“ (den)