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Geschichte des Taunusbrunnens nachzulesen

Beim Rundgang aller Beteiligten zu den zehn Info-Tafeln: Die Station 2 informiert über die Gründung des Taunusbrunnens. Foto: Christine Fauerbach
Beim Rundgang aller Beteiligten zu den zehn Info-Tafeln: Die Station 2 informiert über die Gründung des Taunusbrunnens. Foto: Christine Fauerbach

Karben.Einst war es ein verwahrlostes Gelände, auf dem Ruinen standen: das Karbener Taunusbrunnen-Areal. Doch das gehört der Vergangenheit an. Nun erinnern zehn Infotafeln an die wechselvolle Geschichte, an die Besitzer sowie an die Erschließung und Nutzung des Geländes.
Das einstige Firmengelände des Taunusbrunnens in Groß-Karben hat sich in ein Schmuckstück verwandelt. Die Brüder Bruno und Norbert Kling kauften 2012 das Areal samt den unter Denkmalschutz stehenden historischen Gebäuden und weckten es aus dem Dornröschenschlaf.
Auf einem Teil des Geländes stehen heute elf moderne Wohngebäude und ein Hotel mit gemeinsamer Tiefgarage. Die weißen Neubauten wurden durch den Einbau echter Vollklinker optisch an die vorhandene Bausubstanz angepasst. Der Karbener Bauunternehmer Bruno Kling hatte die Idee, auf diese Weise die Industriearchitektur der alten Taunusbrunnen-Gebäude in die Stadthäuser zu integrieren. Entstanden sind Mehrfamilienhäuser im modernen Industrie-Look.
Teamwork für die
Tafeln im Retro-Look

Die unter Denkmalschutz stehenden historischen Gebäude haben die neuen Eigentümer mit hohem Kostenaufwand und viel Liebe zum Detail fachgerecht restauriert. Dafür wurden sie im Herbst 2023 vom Wetteraukreis mit der Denkmalplakette ausgezeichnet. Den Brüdern Kling ist es wichtig, Bürger, Anwohner, Hotelgäste, aber auch beispielsweise die Kunden der dortigen Braut- und des Fitnessstudios über die wechselvolle Geschichte und Nutzung des Areals zu informieren. Dafür haben sie jetzt zehn Schautafeln zur Historie auf dem Gelände anbringen lassen.
»Wer möchte, kann ab sofort seinen Sonntagsspaziergang durch den Rapp’s Natur-Erlebnis-Garten mit dem Gang über das Taunusbrunnen-Areal verbinden und dabei sein lokalhistorisches Wissen erweitern«, schlägt der Bauunternehmer mit einem Faible für alte Häuser vor.
Die Texte auf den zehn Tafeln hat der Diplom-Ingenieur für Getränketechnologie und Hobby-Historiker Stefan Kunz recherchiert und verfasst. Die Tafeln im Retro-Look hat Grafiker Friedemann Kuhl designt. Die Fotografien und Abbildungen steuerten der Karbener Geschichtsverein, Stefan Kunz sowie das Historisch-Technische Museum in Peenemünde bei. An der ersten Station gibt es auf der Tafel einen Orientierungsplan des Betriebsgeländes. Auf ihm sind alle noch sichtbaren und nicht mehr vorhandenen historischen Gebäude verzeichnet. Die zweite Tafel informiert über die Entdeckung der Mineralquellen beim Bau der Main-Weser-Eisenbahnlinie, die Gründung des Taunusbrunnens und wie es dazu kam, dass der einstige Selzerbrunnen-Pächter Carl Müller Anfang 1864 gegenüber dem Selzerbrunnen liegende Grundstücke auf Kloppenheimer Gebiet kaufte.
Carl Müller verkaufte Grundstücke und Brunnen an August Thiemann aus Hannover. Gemeinsam mit dem Hotelier Jacob Friedrich aus Köln, der bis 1875 in das Unternehmen investierte, gründete dieser den »Neuen Selser-Brunnen«. Nach Fertigstellung der Brunnenhalle mit modernster Abfülltechnik und des Wohn- und Geschäftsgebäudes wurde ab dem 1. Mai 1874 Mineralwasser in Flaschen und Krügen verkauft.
Die dritte Tafel zeigt die Ansicht der Wohn- und Betriebsgebäude im Jahr 1930 von der Main-Weser-Eisenbahnstrecke aus. Zu sehen sind das Wohn- und Geschäftsgebäude mit Brunnenhalle, das Kesselhaus mit Schornstein, die Füllhalle, die Leer- und Vollguthallen. An der vierten Station werden die Leser in Worten und Bildern über die Entstehung von Erweiterungsbauten wie Kessel- und Maschinenhaus sowie Produktions- und Lagerhallen aus Holz 1876 unterrichtet. Jacob Friedrich änderte den Firmennamen von Neuer Selser-Brunnen in Taunusbrunnen. Elf Jahre später verkaufte er das Unternehmen an eine englische Gesellschaft, und dem Kaufmann Franz Krug aus Frankfurt am Main wurde Prokura erteilt. Im September 1903 erwarb Franz Krug den Taunusbrunnen, der sich bis zur Schließung Ende 1964 in Familienbesitz befand.
Die fünfte Station ermöglicht Einblicke in die Wasserabfüllung 1930 in der Füllhalle mit Leergutaufgabe, vollautomatischer Flaschenreinigung mit Flaschenkontrolle, Rundfüller, Kronkorkenverschließer, manuelle Entnahme der Flaschen und Rollenbahn für die Leerkästen. Auf der sechsten Tafel erfolgt ein Blick in die Etikettier-, Pack- und Vollguthalle im Jahr 1930. Und auf der siebten Tafel werden Einblicke in die Voll- und Leergutlagerhalle mit Qualitätskontrolle, Etikettieren, Verpacken und Einlagern von Vollgut gegeben sowie in die zwischen 1898 und den 1950er Jahren in Betrieb befindliche Bahnverladestation.
Militärische Nutzung
als Torpedo-Halle

An der achten Station sind der von Mai bis Juni 1944 von den Rödelheimer Torpedo-Werken errichteten Torpedo-Halle für die Fertigung von »kriegswichtigem Gerät« zwei Tafeln gewidmet. Hergestellt wurde mit der Fieseler Fi 103 der erste militärisch eingesetzte Marschflugkörper. Sie wurde als eine der »Wunderwaffen« in der NS-Propaganda des Zweiten Weltkriegs auch V1 (Vergeltungswaffe 1) genannt. Seit der Beschlagnahmung des Taunusbrunnens am 18. Februar 1944 hat der Taunusbrunnen mit dem Selzerbrunnen eine Betriebsgemeinschaft geschlossen, die Abfüllanlage wurde beim Selzerbrunnen aufgestellt. Die neunte Tafel informiert über die 1928/29 errichtete Transformatorenstation und die Denkmalschutzplakette des Wetteraukreises. Diese und viele weitere Informationen mit Fotos und Plänen sind auf den zehn Tafeln an neun Stationen zu sehen.
Von Christine Fauerbach