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Bad Vilbel (cka) Am Donnerstagabend hatte der Bad Vilbeler Autor Robert Maier in die Stadtbibliothek zur Veranstaltung »Falsch informiert – falsch gewählt?« eingeladen, die aus unterschiedlichen Perspektiven das Thema »Wählen in Zeiten der Desinformation« und die damit verbundenen Auswirkungen auf Demokratie und Freiheit in der Gesellschaft in Deutschland und Europa beleuchtete. Den Abend moderierte der Frankfurter Autor Andreas Heinzel, der es als gutes Zeichen sah, dass viele Interessierte gekommen waren. Vor der Europawahl im vergangenen Jahr habe es eine ähnliche Veranstaltung gegeben, so Robert Maier in seiner Begrüßung. Doch die Wahl habe die Rechtsextremen gestärkt, die »vor Kraft kaum laufen können«. »Warum ist das so?«, fragte er. »Finden die Leute die Demokratie nicht gut? Wollen sie Faschismus?«
Linus Siebert, Politikwissenschaftler und Gründer eines Beratungsunternehmens zum Schutz vor Desinformationskampagnen, berichtete, wie Desinformation einen so großen Raum im politischen und gesellschaftlichen Diskurs einnehmen konnte. Angefangen bei russischen Trollfabriken – Organisationen, die im Staatsauftrag die öffentliche Meinung manipulieren –, verstärkt durch die Verschwörungserzählungen im Zuge der Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg. Dabei seien falsche Informationen verbreitet worden, um zu manipulieren, zu täuschen und Schaden herbeizuführen. Auch für politische Ziele werde Desinformation eingesetzt – um die öffentliche Meinung zu manipulieren, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren oder auch um Leute von der Wahl abzuhalten.
Deepfakes und
gefälschte Webseiten
Die Instrumente seien (gefälschte) Webseiten und soziale Medien, auf denen Deepfakes – mit künstlicher Intelligenz erstellte täuschend realistisch wirkende Inhalte – verbreitet würden. Ziel sei immer, Dominanz im Internet zu gewinnen oder die Leute gezielt zu verwirren. Die Herausforderung sei, dass man nicht genau wisse, welchen Effekt das auf Wahlen habe. »Es wird einen haben, denn sonst würde das nicht so massiv betrieben«, sagte Linus Siebert.
Doch er zeichnete nicht nur ein düsteres Bild, er hatte auch Lösungsvorschläge: »die Breite der Bevölkerung trainieren, um Desinformation erkennen und verstehen zu können«, Empathie zeigen und Fragen stellen, sollte man den Verdacht haben, jemand falle auf Desinformation rein, und positive Geschichten erzählen.
»Die Demokratie braucht Sie!«
Zu dieser Lösung kam auch Daniel Röder. Er ist Gründer der überparteilichen und unabhängigen Bürgerinitiative und Bewegung »Pulse of Europe«, mit der er und seine Mitstreiter ein positives Narrativ von Europa schaffen möchte. »Wir stehen gerade am Eingang in ein neues Zeitalter des Nationalismus«, sagte er. »Rechts« und »links« würden zurzeit aus der politischen Mitte heraus sehr stark betont, »populistisch« und »extremistisch« ebenso – das würde die politischen Ränder stärken, kritisierte er. Sein Appell: »Mit Vokabeln einen Beitrag zur Demokratie leisten«, etwa konkret nach »demokratisch« und »undemokratisch« zu unterscheiden. Dafür trügen alle demokratischen Parteien Verantwortung.
Robert Maier hatte für den Abend aus seinem Roman »Frankfurter Fake News« einige »unappetitliche Stellen« herausgesucht. Darin schildert er, wie rechtsradikales Gedankengut in sozialen Netz-werken verbreitet und geteilt wird und wie sich Menschen mit gezielten Falschinformationen gegenseitig zu Hass, Hetze und Anfeindungen aufschaukeln.
Ein Thema, das Angelika Ungerer von den »Omas gegen Rechts« aufgriff. Die Organisation engagiert sich mit kreativen Aktionen gegen rechts und setzt sich engagiert für Demokratie ein, wird dafür jedoch auch angegriffen – nicht nur von der politischen Rechten. »Fakten und Hintergründe werden vermischt«, sagte Angelika Ungerer, und dann in den sozialen Medien verbreitet. Doch auch wenn sie viel Gegenwind erfahren: »Uns Omas ist es das wert. Die Demokratie wird uns nämlich nicht geschenkt.« Eine Aussage, für die sie Applaus erhielt. Wie für den Appell ans Publikum, der auch das Schlusswort darstellte: »Gehen Sie wählen, die Demokratie braucht Sie!«