Bad Vilbel. »Uns will niemand haben. Ich glaube auch, dass Deutschland voll ist, aber wo sollen wir hin?«, fragt Rukia, zehn Jahre aus Syrien. Amir aus Afghanistan sagt: »Die Duschen hier im Camp haben nur kaltes Wasser. Das tut so weh auf der Haut, besonders im Winter. Ich würde so gern einmal warm duschen.« Amir Hussain (10) und sein Bruder Amir Hamza (8), sagen: »Den Kindern in Deutschland möchte ich Danke sagen. Und ich möchte sagen, dass sie zufrieden sein sollen. Zufrieden, weil sie ein Zuhause haben. Ich wünsche ihnen, dass sie nicht so wie wir, in ein anderes Land gehen müssen, sonst stehen sie vielleicht vor den gleichen Problemen wie wir. Ich wünsche mir, dass andere Kinder nicht so leben müssen wie wir.«
»Manchmal
male ich ein Haus«
Das sind drei von 22 Aussagen von »Europas vergessenen Kindern«, die unter Momentaufnahmen der Fotografin Alea Horst stehen. Aufgenommen hat sie die Fotos im Flüchtlingslagern Kara Tepe und Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Alea Horst und Mehrdad Zaeri haben mit den Kindern, von denen viele auf der Flucht ihre Eltern und Familien verloren haben, gesprochen. Sie haben sie nach ihrem Alltag gefragt, nach ihren Erlebnissen, Ängsten und Träumen und ihrem Lieblingswitz. Entstanden ist das Buch »Manchmal male ich ein Haus – Europas vergessene Kinder« und die Wanderausstellung. Beide zeigen eine erschütternde und aufrüttelnden Sammlung mit Porträts, Momentaufnahmen und dramatischen, aber auch hoffnungsvollen Berichten. Krisen, Stress, Albträume, Hoffnungslosigkeit, Resignation und Zukunftsängste sind für »Europas vergessene Kinder« Teil ihres jungen Lebens.
Bis zum kommenden Montag können Besucher im Haus der Begegnung die Wanderausstellung sehen. Die »Omas gegen rechts Wetterau« haben die Schau nach Bad Vilbel geholt.
Zur Eröffnung begrüßte Angelika Ungerer Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm (SPD), Flüchtlingskoordinatorin Susanne Förster und Minas Mandt von Vorstand des Flüchtlingshilfevereins. Ungerer sagte, dass die Kinder und Jugendlichen Angst haben vergessen zu werden. Sie leben hinter Stacheldraht, unten menschenunwürdigen Bedingungen, verzichten oft trotz großem Hunger auf Essen, weil sie danach meist krank werden. »Bei den Aussagen der Kinder spürt man viel Traurigkeit und Resignation.« Sie hätten sich ihr Schicksal nicht ausgesucht.
»Für uns Omas stellt sich die Frage: Ist Deutschland wirklich voll?« Wir sperren die Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, an den europäischen Außengrenzen in Lager. »Man stiehlt ihnen ihre Zukunft, sperrt sie ein, nimmt ihnen die Möglichkeit auf Bildung, und versorgt sie schlecht. Es ist unverständlich wie man so mit Menschen umgehen kann. Wir wünschen uns, dass Europa sich dieser Menschen annimmt, sie nicht wegsperrt, sondern eine Lösung findet und diese Lager endlich aufgelöst werden können«, sagte Angelika Ungerer. »Wir können uns vermutlich nur sehr abstrakt vorstellen, was eine Flucht ins Ungewisse, das Herausreißen aus der gewohnten Umgebung und die Entbehrungen, die eine solche Reise mit sich bringt, für die Psyche bedeutet«, sagte Müller Grimm.
Noch unvorstellbarer sei, was es für Kinder bedeutet, die unter Umständen eben noch eine glückliche Kindheit hatten und nun in einem der Auffanglager nicht wissen, was für eine Zukunft sie am nächsten Tag, den nächsten Wochen und Monaten haben werden. Müller-Grimm sieht in der Wanderausstellung die Warnung, dem Schicksal dieser Kinder nicht gleichgültig gegenüber zu treten, die Bilder nicht zur Gewohnheit werden zu lassen. Zur Hilfe aufgerufen sei die gesamte Gesellschaft.
Susanne Förster informierte, dass unter den 460 Geflüchteten seit Dezember 2013 in Bad Vilbel 80 Familien mit 150 Kindern sind. Sie lebten in den Gemeinschaftsunterkünften »sicherlich nicht optimal«, unter anderem weil es keine Privatsphäre und Ruhe gebe. Minas Mandt zitiere Franca Marchez, die Vize-Präsidentin von Kolumbien: »Wir sollten den Opfern erlauben in Frieden zu leben und sie nicht weiter leiden lassen.« Er hofft, dass alle Politiker an einem Strang ziehen, nach Lösungen suchen und sich nicht in Kompetenzstreitigkeiten verheddern.
Von Christine Fauerbach