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Gefühlvolle, lyrische Erinnerungen – Lagergemeinschaft würdigte zum Gedenktag der Holocaust-Opfer zwei Dichterinnen

Bad Vilbel. Zum Gedenktag der Holocaust-Opfer am 27. Januar erinnerte die Lagergemeinschaft Auschwitz mit einer anspruchsvollen Lesung an zwei deutsch-jüdische Dichterinnen.

„Wir wissen aus Zeugnissen, wie wichtig die Kunst für die Menschen in den Ghettos und Konzentrationslagern war, um sich ihre Menschlichkeit zu bewahren“, sagte Uwe Hartwig von der Lagergemeinschaft Auschwitz zu den rund 40 Besuchern in der Alten Mühle.

Auch Hilda Stern Cohen (1924 bis 1997) und Gertrud Kolmar (1894 bis 1943) schrieben Gedanken und Empfindungen lyrisch nieder und beschäftigten sich mit ihren Erfahrungen als diskriminierte und verfolgte Jüdinnen.

Lilli Schwethelm und Georg Crostewitz präsentierten ein „musikalisch-lyrisches Mosaik“ unterm Titel „ . . . und vor dem Fenster schweigt die Nacht“. Darin erinnerten sie mit Infos über und Texten von den Dichterinnen an deren Leben und Wirken. Schwethelm las und stellte Szenen dar, Crostewitz begleitete sie an der Gitarre.

Cohen, geboren in Nieder-Ohmen im Vogelsberg, überlebte den Holocaust, wanderte in die USA aus und gründete eine Familie. Gertrud Käthe Chodziesner – sie schrieb unter dem Pseudonym Kolmar – wurde in Berlin geboren, im Jahr 1941 zur Zwangsarbeit verpflichtet und 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Als Frau, Dichterin und Jüdin habe sich Kolmar „besonders in einer Lyrik verwirklicht, die das Fremdsein in dieser Welt beschwört“, erklärte Schwethelm.

Während des Vortragens der mystischen Naturgedichte Kolmars schlüpfte sie in die Rollen von Kröten, Lurchen und Würmern. „Komm denn und töte, mag ich nur ekliges Geziefer dir sein, ich bin die Kröte und trage den Edelstein“, hauchte Schwethelm. „Welch Ironie, dass die Juden in der nationalsozialistischen Ideologie später mit Ungeziefer gleichgesetzt wurden“, sagte sie.

Crostewitz entlockte der Gitarre mal gefühlvolle, dann wieder irritierend-aufrührende Klänge – ein nachhaltiger Abend. (kre)