Bad Vilbel. Einen Tag später als im übrigen Deutschen Reich kam es am 10. November 1938, vor 72 Jahren, in Vilbel zu einem Pogrom gegen Juden. Am Gedenkstein vor dem Alten Rathaus versammelten sich etwa 50 Menschen, um sich an die Schrecken zu erinnern, aber auch, um für Zivilcourage zu werben. Im Jahr 1938 habe es in Vilbel ein reges jüdisches Leben gegeben. 100 Familien hätten in der Stadt gelebt, erinnerte Rafael Zur, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, und 22 jüdische Geschäfte gab es.
„Um Raub und Mord besser vorzubereiten, gaben die Nazi-Barbaren den Vilbeler Juden 24 Stunden Aufschub“, sagte Zur. Viele Juden hätten gehofft, verschont zu werden. Doch dann habe auch in der Frankfurter Straße die gezielte Gewalt ihren Lauf genommen. Die Synagoge sei zerstört worden. Den Getreidehändler Simon Wechsel habe man auf die Glasscherben seines umgekippten, mit Flaschen beladenen Lastwagens geworfen, worauf er gestorben sei.
„Polizei und Bevölkerung schauten tatenlos zu“, vermerkt Zur bitter: „Einem Teil der Vilbeler Bevölkerung gefiel diese Barbarei sehr gut, nur wenige wandten sich von dem grausigen Geschehen ab.“ Daraus zieht Zur die Lehre, dass es „schlicht eine Lüge“ sei, im Nachhinein zu behaupten, man habe nichts gewusst – was sich jetzt auch an den Enthüllungen über die Verstrickung des Auswärtigen Amtes in die Judenverfolgung zeige.
Zur betont: „Gerade in der heutigen Zeit ist das Gedenken wichtiger denn je. Wo immer Menschen beleidigt oder verletzt werden, müssen wir eingreifen und nicht einfach vorbeigehen.“
Dies unterstrich auch Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) in seiner Rede. Das Novemberpogrom habe den Beginn eines Zivilisationsbruches markiert, sagte er.
Die SPD-Stadtverordnete Vered Zur-Panzer betonte, es sei nicht nur Aufgabe der Juden, „als Mahner definiert zu werden.“ Es sei „fröhlich-optimistisch, pulsierend, dem Leben zugewandt.“ Derzeit zähle die jüdische Gemeinde Bad Vilbel 40 eingetragene Mitglieder.
An dem Gedenken nahm neben SPD-Fraktionschef Rainer Fich auch Rabbiner Shlomo Raskin teil.