
Bad Vilbel. (cf) Der Bilderzyklus »Weg ins Blaue« von Maler, Zeichner und Musiker Jacques Gassmann schmückt seit April 2022 eine Wand in der St.-Nikolaus-Kirche. »Der in Bad Vilbel zu sehende Kreuzweg-Zyklus ›Weg ins Blaue‹ mit 15 Stationen ist relativ selten zu sehen«, hatte Gassmann damals bei der Vernissage gesagt.
Der »Vilbeler« Kreuzweg besteht nicht wie seit 1600 üblich aus 14 bebilderten Stationen, sondern aus 15. Er bildet den Leidensweg Jesu von der Verurteilung durch Pontius Pilatus über die Kreuzigung und Grablegung bis zur Erlösung und Auferstehung ab. Bei dem mit Pigmenttusche und Tinte gemalten Kreuzweg-Zyklus handelte es sich um einen Wunsch von Pfarrer Herbert Jung, der seit November 2022 im Ruhestand ist. Am Ende des Kreuzweges sollte nicht das Kreuz, der Tod und Depression stehen, sondern die Auferstehung, die Erlösung und das Licht. Die 15. Station, betitelt mit »Aufstand«, ist das Symbol der Hoffnung.
Unterschiedliche
Interpretationen
Jetzt hat Herbert Jung seine Gedanken zum »Kreuzweg« anhand der 15 Stationen des Zyklus in einer Broschüre festgehalten. Sein Vorwort schließt er mit den Worten: »Ich wünsche mir und Ihnen, dass diese fünfzehnte Station uns so entgegenleuchtet, dass wir das Leid der 14 zuvor geschauten nicht nur sehen und aushalten können, nein, von ihr hinausgehend wissend, was der Psalm 18,20 schon verkündet: ›Du führst mich hinaus ins Weite, Du machst meine Finsternis hell.‹« Den Kreuzweg Jesu haben viele Künstler immer wieder auf unterschiedliche Weise interpretiert und in Kunstwerken festgehalten. Der Kreuzweg-Zyklus des Leidensweges von Jesu beginnt mit dem »Urteil«, Bild I, des Pontius Pilatus, Statthalter Roms in der Provinz Judäa, gegen den »herumziehenden Volksverhetzer« aus Nazareth. Verurteilt wurde er zum »Tod am Kreuz«, Bild II, »Kreuz«. Mit dem Todesurteil im Nacken und zwei Balken auf der Schulter gerät er ins Stolpern, Bild III, »Fall«, findet Halt, steht auf und geht weiter. Das vierte Bild trägt den Titel »Mutter« und thematisiert den Schmerz Marias. Das fünfte hat der Künstler mit »Hilfe« und das sechste mit »Trost« betitelt. Beides zu leisten ist menschlich. Was folgt, ist ein erneuter Sturz, Bild VII, »Fall 2«, das Mitleiden seiner Anhänger (»Bild VIII«, »Weinen«) und ein erneuter im Bild IX festgehaltener »Fall 3«. Und dann ist der »Menschensohn« zu sehen, Bild X, »Nackt«, gepeinigt und verletzlich und nicht »Gottes Sohn, wie viele glaubten«. Was folgt, ist eine weitere Stufe der Gewalt, das Annageln an die Balken, Bild XI, »Nägel«.
Und dann die Erlösung durch den »Tod«, Bild XII, und die ewige »Ruhe«, Bild XIII, das Ende aller Lebenskämpfe. Es folgt, das dem toten Körper Schutz gewährende »Grab«, Bild XIV, und dann mit der Auferstehung von den Toten, Bild XV »Aufstand«, das Symbol der Hoffnung für die Lebenden.
Führungen während
des Hessentags
Pfarrer Jung sagte bei der Vernissage: »Gern gesehen war’s nie, eher gefürchtet, wenn Menschen aufstehen aus Enge und Sklaverei. Mächtige stürzt er vom Thron: der Menschen Aufstand, vernichtet Unrecht – bisher als Recht wohl bezeichnet, lässt Gebeugte gerade gehen und Augen große Zukunft schauen, bringt Leben, wo Tod sich breitgemacht, wo Grabesruhe das Atmen verboten. Es geht auch anders. Das zu erreichen – hat ER sich auf den Weg gemacht.«
Pfarrer Herbert Jung teilt in seiner Broschüre mit Lesern und Betrachtern des Bilderzyklus »Weg ins Blaue« seine Gedanken zu diesem besonderen Kreuzweg, regt – nicht nur zu Ostern – zum Nachdenken und Nachempfinden an. Pfarrer Jung bietet – außer an Fronleichnam – während des Hessentages, täglich am frühen Nachmittag in der St.-Nikolaus-Kirche eine »Kreuzweg«-Führung an.
Erhältlich ist die Broschüre »Kreuzweg« für vier Euro ab dem Hessentag (13. bis 22. Juni) in St.-Nikolaus.