Karben. Ein kräftiger Dreh, dann öffnet sich die Luke des Kessels. Darin destillierte eben noch Maische bei 80 Grad zu Klarem. Weißer Dampf quillt nun heraus. Er riecht schwer und säuerlich. „Ich rieche das schon gar nicht mehr“, sagt Bernd Geckeler (45).
Dass es in der gemütlich eingerichteten Obstbrennerei in Rendel überhaupt wieder so riecht, erforderte eine finanzielle Kraftanstrengung des Landwirts. Im vergangenen Jahr stand seine Brennerei vor dem Aus: Der Zoll hatte sie dicht gemacht, weil er falsches Obst gebrannt haben sollte – und zwar nach Lesart eines Gesetzes aus der Kaiserzeit (wir berichteten).
Der unglaubliche Vorwurf: Geckeler durfte nur hessisches Obst brennen, hatte aber welches aus dem Taunus genutzt. Das ist zwar heute hessisch, war es aber vor 100 Jahren nicht. Einer Schuld ist sich Geckeler bis heute nicht bewusst: Von den Anlieferern hatte er sich stets quittieren lassen, dass das Obst, das in seiner Brennerei verarbeitet wurde, von Wiesen aus Hessen innerhalb der Grenzen von einst stammte. Wozu der Zoll im vergangenen Jahr gar nichts sagte, sondern den Fall „nur“ prüfte.
Das Prüfen aber bedrohte Geckelers Existenz: Bis zu fünf Jahren dürfen sich die Beamten laut Gesetz mit ihren Ermittlungen Zeit lassen. Solange aber konnte der Landwirt nicht auf seine wichtigste Einnahmequelle verzichten. Also schwenkte er um: von der Abfindungsbrennerei zur Verschlussbrennerei.
Einen 100 000 Euro teuren, neuen Kessel musste Geckeler dafür installieren. Der ist mit 250 Litern Fassungsvermögen nicht nur größer und schneller als der alte 148-Liter-Kessel, sondern er hat einen geeichten Zähler und misst genau, wie viel Alkohol destilliert wird. Damit nicht manipuliert werden kann, ist er 73-fach verplombt. „Wahnsinn“, findet Bernd Geckeler.
Der Vorteil für Geckeler wie für die Kundschaft: Die Rendeler Brennerei ist nun offen für jedermann. So wie Christine und Konrad Schuster aus Bruchköbel. Sie wollen Ende März brennen. Der pensionierte Busfahrer gießt einen kleinen Schluck Wetterauer Himbeergeist ein, riecht daran, trinkt ihn langsam. „Toll, da schmeckt man richtig die Frucht.“ Ihre Sauerkirschen wollen die Schusters zu Hochprozentigem veredeln. „Was soll ich denn sonst mit all den vielen sauren Kirschen machen?“, fragt er.
Bernd Geckeler lächelt. Dass das Brennen erst ab 80 Liter Maische wirtschaftlich Sinn macht, halte die Kunden nicht ab. „Es ist eben etwas ganz Besonderes, den Schnaps aus eigenen Früchten zu genießen.“
Längst hat sich der Kalender der Rendeler Brennerei wieder gut gefüllt. Haupteinzugsgebiet sind die Wetterau, Rhein-Main und der Limburger Raum. Auch aus Niedersachsen und Bayern kommen Kunden, der Atmosphäre wegen.
Die kann auch Bernd Geckeler nun wieder genießen. Und die Zuversicht fördert die Kreativität. Ob sich aus Zuckerrüben ein guter Klarer brennen lässt, will er demnächst ausprobieren. Und den ersten Wetterauer Whisky ansetzen. „Es war eine falsche Entscheidung, auf die Abfindungsbrennerei zu setzen“, gesteht er ein. „Das hat Nerven gekostet.“ (den)