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Gebühr für Unterbringung

Um Obdachlosigkeit zu verhindern, seien anerkannte Flüchtlinge weiterhin in den Gemeinschaftsunterkünften geduldet, heißt es seitens der Karbener Stadtverwaltung. Foto: wpa
Um Obdachlosigkeit zu verhindern, seien anerkannte Flüchtlinge weiterhin in den Gemeinschaftsunterkünften geduldet, heißt es seitens der Karbener Stadtverwaltung. Foto: wpa

Karben. In Karben sollen anerkannte Flüchtlinge per Satzung zur Zahlung einer Unterbringungsgebühr von 705 Euro verpflichtet werden. Für nicht Erwerbstätige übernimmt das Jobcenter die Kosten. Arbeitende erhalten einen Zuschuss, müssen für die Gebühr aber selbst aufkommen. Die Höhe der Kosten sorgt für Diskussion.
Sammelunterkünfte sind für die Unterbringung von Menschen während der Prüfung ihres Asylantrags vorgesehen, erklärt Turgay Taskiran, Fachbereichsleiter für Soziales in der Stadtverwaltung. Sobald sie als Flüchtlinge anerkannt seien, entfalle eigentlich auch ihr Nutzungsrecht. Taskiran: »Allerdings finden die meisten von ihnen keinen eigenen Wohnraum.« Im Rhein-Main-Gebiet sind Wohnungen derzeit Mangelware und die Mietkosten dementsprechend hoch.
Um Obdachlosigkeit zu verhindern, seien anerkannte Flüchtlinge weiter in den Gemeinschaftsunterkünften geduldet, müssten aber eine Unterbringungsgebühr zahlen. In Karben beläuft sich diese auf 705 Euro für eine Einzelperson im Monat. Ab einem Haushalt, definiert als Familienverbund, von mehr als einer Person wird der Preis gestaffelt. Eine vierköpfige Familie zahlt beispielsweise eine Gebühr von 1040 Euro. In den fünf Sammelunterkünften in Karben leben rund 200 Menschen. Von ihnen sind 97 anerkannte Flüchtlinge, hiervon noch einmal 37 erwerbstätig, teilt Taskiran mit.
Für anerkannte Flüchtlinge, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, übernimmt das Jobcenter die Unterbringungsgebühr. In Karben liegt die Mietobergrenze bei 705 Euro, weshalb sich die Stadt trotz tatsächlich höherer Kosten für diese Gebührhöhe entschieden habe. Erwerbstätige müssen den Betrag selbst zahlen, erhalten aber von der Stadt einen Zuschuss von 355 Euro pro Haushalt im Monat. Im Nachbarort Bad Vilbel wird anerkannten Flüchtlingen bei gleicher Mietobergrenze eine Gebühr von nur 590 Euro im Monat berechnet. Einen Zuschuss für Erwerbstätige gibt es dort hingegen nicht, wie Yannick Schwander, Pressesprecher der Stadt Bad Vilbel, auf Nachfrage erklärt.
In den Gemeinschaftsunterkünften teilen sich Flüchtlinge in der Regel mit ein bis fünf Mitbewohnern ein Zimmer und haben dabei oft nicht mehr als sieben Quadratmeter pro Person zur Verfügung, erläutert Werner Giesler, emeritierter evangelischer Pfarrer und von 2015 bis Ende 2023 im Leitungsgremium der Flüchtlingshilfe Karben vertreten. »Den Betroffenen stellt sich die Frage, ob sich Arbeiten angesichts einer solchen Unterkunft zu einem solchen Preis überhaupt noch lohnt.« Die Gebühren in Karben wie auch in anderen Kommunen seien für die Art der Unterbringung nicht gerechtfertigt. Giesler: »Es gibt keine Privatsphäre und keine Rückzugsmöglichkeiten nach einem anstrengenden Arbeitstag. Das heißt, das Weiterwohnen in einer Sammelunterkunft ist eine absolute Notlösung.« Dabei gehe es nicht darum, keine Gebühr zu verlangen, diese sollte aber angemessen sein. Bedauerlich ist laut dem 68-Jährigen auch, dass die zuletzt viel beschworene westliche Wertegemeinschaft mit Wurzeln im christlichen Abendland hier nicht spürbar werde.
Bürgermeister Guido Rahn argumentiert, dass die Gebühr nicht nur Miete und Nebenkosten umfasse, sondern auch noch weitere Ausgaben. Etwa 450 Euro der 705 Euro spiegelten die reinen Mietkosten inklusive Nebenkosten wie Heizung, Strom und Wasser wider, erläutert Dominik Rinkart, Pressesprecher der Stadt. Hinzu kämen Kosten für Verwaltung, Personal, Ausstattung und Instandhaltung. Dass die Gebühr auch Feuerwehreinsätze, Vandalismusbeseitigung und Verwaltungsstellen umfasst, sorgte allerdings im Frühjahr, als in Bad Vilbel eine ähnliche Satzung diskutiert wurde, für Kritik.
Mehrere Gründe für
Zahlungsausfälle

Ein Problem sowohl für die Verwaltung als auch für die anerkannten Flüchtlinge bestehe darin, dass manche die Gebühr nicht leisteten. »Derzeit bezahlen 50 Prozent nicht die 350 Euro«, sagt Taskiran. Die Gründe für die Zahlungsausfälle seien unterschiedlich. »Sie erzählen, dass das Geld nicht ausreicht oder dass sie ihre Familie im Ausland unterstützen müssen.« Für ihn spiegelten Flüchtlinge die Breite der Gesellschaft wider. Manche bemühten sich weniger, andere mehr.
Dem kann Giesler zustimmen. Dennoch, sagt der Pfarrer im Ruhestand, würde ein Großteil der Geflüchteten in gesellschaftlich relevanten, aber oft schlecht bezahlten Jobs arbeiten. Anstatt ihre Arbeit zu würdigen und sie bei der Integration zu unterstützen, belaste man sie mit hohen Gebühren. »Das geht wohl, weil es keine große Lobby für Flüchtlinge in unserem Land gibt.«
Von Coralie Soemer