Wettbewerbsvorteil oder Kannibalismus? Diese beiden Schlagworte bestimmten die Diskussion um die beabsichtigte Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes in der jüngsten Sitzung des Bad Vilbeler Parlamentes. Am Ende obsiegte die Koalition aus CDU und FDP. Obwohl es auch hier Abweichler gab.
Bad Vilbel. Es ist ein Roulettespiel, ob man die Gewerbesteuereinnahmen nun erhöht, um mehr Geld in die Kasse zu spülen. Oder ob man sie senkt, um so neue Firmen anzulocken und dadurch die zu erwartenden Verluste im Endeffekt in einen Gewinn umzuwandeln. Über diese beiden Extrempositionen diskutierten die Vilbeler Parlamentarier.
Während die von der CDU und FDP unterstützte Beschlussvorlage eine jeweils zehnprozentige Senkung für die kommenden beiden Jahre auf dann 280 Prozent vorsieht, will die SPD den Satz auf 340 Prozent anheben. Die Grünen pendeln sich in einem eigenen Antrag bei 330 Prozent ein. Und auch die Neue Fraktion hat eigene Vorstellungen, will eine geringe Anhebung auf 310 Prozentpunkte.
Nicht auf Augenhöhe
Das finanzielle Dilemma der Stadt, das nun einen derartigen Schritt erfordere, macht Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) an drei Punkten fest. So nehme die Kreis- und Schulumlage der Stadt großen finanziellen Handlungsspielraum. Weiterhin seien die Kosten für die Kinderbetreuung immens gestiegen. Und schließlich habe es einen Einbruch bei der Gewerbesteuer gegeben. „Wir sind nicht mehr auf Augenhöhe mit Städten wie Bad Soden und Eschborn“, bemerkt Stöhr. Dort gelten Hebesätze von 280 Prozent. Wer jetzt die Steuern erhöhe, gehe ein großes Risiko ein, bemerkt Stöhr mit einem nicht detailliert ausgesprochenen Hinweis auf Altenstadt, das die Steuern erhöhte und dadurch eine Firma in Richtung Bayern verlor. Doch mit seinen Ansichten stieß Stöhr auf den Widerstand der Opposition. So monierte Manfred Kissing (Grüne), dass die Stadt durch die Absenkung etwa eine Million Euro an Gewerbesteuer verliere. Während in der gleichen Sitzung über die Einführung einer Straßenbeitragssatzung diskutiert werde, sei die Absenkung der Gewerbesteuer für die Bürger ein „Skandal“.
SPD-Fraktionschef Walter Lochmann verwies auf die Anordnungen des Hessischen Innenministers Peter Beuth (CDU) für defizitäre Kommunen. Demnach sei eine Senkung der Steuer auf unter 310 Prozent nicht akzeptabel. Ein Wettbewerbsvorteil zulasten der benachbarten Kommunen sei dies auch nicht. Letztlich sei der Faktor der Gewerbesteuer auch nicht so ausschlaggebend wie von Stöhr dargestellt, „sonst wäre ja keiner mehr in den Kommunen mit hohen Steuern“. Der Durchschnitt im Wetteraukreis liege bei 339 Prozent. Auf diese Marke wolle auch Lochmann den Vilbeler Wert anheben.
Auch Ralph Mallmann (DNF) übte Kritik an den Rechenkünsten der Koalition. Er rechnete vor, dass bei einem durch die Senkung des Hebesatzes erwarteten Verlust von 700 000 Euro im Jahr und einem Verbleib bei 25 Prozent nach Abzug der Kreis- und Schulumlage drei Millionen Euro mehr Gewerbesteuern fließen müssten, um diese 700 000 Euro aufzufangen.
Vermarkten anstatt ruinieren
Die Infrastruktur und die Größe des Quellenparks seien hervorragend. „Hier gilt es, diese Fläche adäquat zu vermarkten, statt einen ruinösen Wettbewerb zu starten.“ Vermeiden müsse man auf jeden Fall den Zuzug von Firmen aus benachbarten Kommunen, so wie dies bei JVC aus Friedberg oder WT Systems aus Maintal geschehen sei. Die zuvor von Christian Kühl vorgeworfene „Kaffeesatzleserei“ und „Glaskugelpolitik“ bestätigt dann auch Jens Völker (CDU). „Wir wissen nicht, was passieren wird“, gibt er freimütig zu. Doch seiner persönlichen Einschätzung nach könne die Senkung ein entscheidender Faktor für die Vermarktung des Quellenparks sein. „Wenn es nicht funktioniert, können wir ja dann Ihren Weg probieren und erhöhen“, bemerkte er ironisch in Richtung der Sozialdemokraten.
Letzten Endes stimmten die CDU, FDP und die Freien Wähler für die Senkung des Satzes. Alle anderen Anträge wurden mehrheitlich abgelehnt. Eine Überraschung gab es dann aber bei der ebenfalls beabsichtigten Anhebung der Grundsteuer A (Forst- und Landwirtschaft) von derzeit 300 auf 450 Prozent. Hier stimmte Manfred Lanz (CDU) gegen seine Fraktion. Er ist selbst Landwirt. Claudia Hohn (CDU) hatte sich hier enthalten. Letztlich gaben die Freien Wähler somit den Ausschlag für diesen Part der Abstimmung.