Bad Vilbel. Am 10. Mai vor 90 Jahren brannten in Deutschland Bücher. An dieses Ereignis erinnern die Naturfreunde Bad Vilbel mit einer Ausstellung in der Stadtbibliothek, die am Dienstag eröffnet wurde.
Warum befassen sich die Naturfreunde, die eher für ihre Outdoor-Aktivitäten bekannt sind, mit diesem Thema? Weil sie als sozial-ökologischer und gesellschaftspolitisch aktiver Verband selbst von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, erläuterte Norbert Nakoinz, Vorsitzender der Bad Vilbeler Naturfreunde, in seiner Eröffnungsrede. Das Naturfreundehaus am Glauberg wurde 1933 von den Nationalsozialisten geplündert. Mit der Ausstellung wolle man die Erinnerung wachhalten und auf die Unterdrückung von Autorinnen und Autoren weltweit aufmerksam machen, denn Meinungsfreiheit sei leider keine Selbstverständlichkeit.
Die Freiheit des Geistes sei den Mitgliedern damals wie heute sehr wichtig, gerade vor dem Hintergrund der heutigen weltweiten politischen Situation, sagte auch Horst Seißinger, Mitglied des Organisationsteams. Viele Naturfreunde beschäftigten sich zudem intensiv mit der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Und so entstand die Ausstellung »Gegen das Vergessen – 90 Jahre Bücherverbrennung«.
Der Frankfurter Stadthistoriker Dieter Wesp gab in seinem Eröffnungsvortrag einen geschichtlichen Abriss über die Bücherverbrennung am Beispiel Frankfurts, wo am 10. Mai 1933 auf dem Römerberg etwa 15 000 Leute verfolgten, wie Bücher missliebiger Autorinnen und Autoren auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurden – organisiert vom nationalsozialistischen Studentenbund, der damit den »undeutschen Geist in den Bibliotheken ausmerzen« wollte. Die Verbrennungen, die in 18 weiteren Hochschulstädten stattfanden, waren eine symbolische Handlung der Nationalsozialisten, die damit zeigten, dass sie gegen alles vorgehen würden, was nicht ihrer Meinung und Weltanschauung entsprach.
Otto Fricke und sein Kurswechsel
Otto Fricke, an ihn erinnert eine Straße auf dem Heilsberg, war als evangelischer Studentenseelsorger auf dem Römerberg dabei und gab der Verbrennung seinen Segen. Er vollzog jedoch später einen politischen Kurswechsel und wurde selbst von den Nationalsozialisten verfolgt.
Bastian Zander, Bad Vilbels Erster Stadtrat, hob in seinem Grußwort ebenfalls die Meinungsfreiheit hervor, die Stadtbibliothek sei ein sichtbares Zeichen dafür. Er betonte zudem, Bad Vilbel stehe für Offenheit, Toleranz und Vielfalt. Man werde nicht mehr zusehen, wie Bücher verbrannt und Menschen drangsaliert werden, sondern dem frühzeitig entgegenwirken. In Vertretung für Bürgermeister Sebastian Wysocki, Schirmherr der Ausstellung, enthüllte er mit Norbert Nakoinz die Hinweistafeln.
Mit dabei: »Im Westen nichts Neues«
Eberhard Seipp, Mitglied der Naturfreunde, sammelt seit 40 Jahren Bücher, die 1933 verbrannt wurden. Seine Originale stellte er nun für die Ausstellung zur Verfügung und gab zum Abschluss des Eröffnungsabends einen thematischen Überblick. Zu sehen sind Bücher unter anderem von Alfred Döblin, Bertolt Brecht, Vicki Baum und Marieluise Fleißner, aber auch von weniger bekannten Autoren wie Ernst Ottwalt. Das bekannteste Buch darunter dürfte Erich Maria Remarques »Im Westen nichts Neues« sein.
Wichtig ist den Naturfreunden, junge Leute auf das Thema aufmerksam zu machen und die Bedeutung von Meinungsfreiheit und Literatur hervorzuheben. Dazu werden Führungen und Vorträge für Schulen und Gruppen angeboten. Im »Doppelpack kompakt« gibt es in je 15 Minuten einen Vortrag zur Ausstellung und eine Einführung ins Angebot der Stadtbibliothek.
Die Ausstellung ist bis zum 26. Mai in der Bad Vilbeler Stadtbibliothek zu sehen. (cka)