Einen guten Grund zum Singen und Feiern hatten die Dortelweiler Sängerinnen und Sänger am vergangenen Wochenende vor geladenen Gästen. Der Verein Liederzweig Dortelweil feierte seinen 150. Geburtstag.
Bad Vilbel. Vor eineinhalb Jahrhunderten rollte eine Gründungswelle von damals noch reinen Männergesangvereinen durch Deutschland. Inspiriert wurden diese Gründungen vor allem durch Richard Wagners „Tannhäuser“, der den Sängerwettstreit auf der Wartburg besang.
In Dortelweil wurde 1862 von Bürgern der Männerchor Lieder-zweig Dortelweil 1862 gegründet. Die Chorproben fanden in der Gaststätte „Deutscher Hof“ statt.
Strenges Regiment
„Geselligkeit und Gemeinschaft sind von Gründung an beim Liederzweig stark ausgeprägt“, sagt erste Vorsitzende Erika Arnold. Auf Disziplin wurde streng geachtet: „Wer zu spät kam, zahlte zehn Pfennig Strafe, wer beim Weg durch den Gastraum ins Kolleg aufgehalten wurde, zahlte 50 Pfennig Strafe.“ Die Gemeinschaft bot den Sängern auch Schutz vor despotischen Landesherren. Hier konnten im vertrauten Kreis „freiheitliche“ Lieder gesungen werden.
Wie groß die Sehnsucht war, zeigt sich auch daran, dass Dortelweil damals zur Reichs- und Freien Stadt Frankfurt gehörte. Bereits Friedrich Schiller hatte notiert: „Es schwinden jedes Kummers Falten, solang des Liedes Zauber walten“.
Bei einem großen Feuer verbrannten zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg in der Gaststätte Noten und Unterlagen der Sänger. Ökonomierat Adolf Hensel notierte 1952: „Keine Unterlagen mehr vorhanden“. Seit einem Jahr sichtet die Vorsitzende gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Erika Steinmetz und Schriftführerin Uschi Braun Unterlagen wie Jahresberichte, Protokollbücher und die Festschriften zum 90-jährigen Bestehen 1952 und 100-jährigen Bestehen 1962. Damals wurde drei Tage lang ausgiebig gefeiert.
Zu den über die Zeiten geretteten historischen Schätzen gehört ein von zwei Autoren handgeschriebenes Liederbuch mit 60 Liedern wie „Die Wacht am Rhein“. Auch ein Exemplar der 1882 gedruckten Sammlung „Regensburger Liederkranz“ mit Liedern wie „Der frohe Wandersmann“ und dem „Schifferlied“ überstand 150 Jahre. Ein kleines, unscheinbares Buch aus dem Jahr 1902 enthält eine Sammlung von „Volksgesängen für den Männerchor“ mit Liedern wie „Heimkehr“ und „Erinnerungen an die Kindheit“.
Stolz präsentierten die drei Vor-standsfrauen Notenblätter aus dem Jahr 1959 mit einem „Trinklied“ von Max Bartel und einen undatierten Programmzettel mit 14 Titeln einer „Abendunterhaltung“ an einem Weihnachtsfeiertag.
Jugend im Visier
Aus dem 1862 gegründeten Männerchor wurde 1975 ein gemischter Chor. „Unser Gesangverein besteht zurzeit aus insgesamt 44 Mitgliedern, davon sind 21 aktive Sänger. Chorleiterin ist seit zwölf Jahren Carina Konz. Unser überwiegend auf Deutsch gesungenes Repertoire besteht aus Schlagern und klassischer Chorliteratur“, sagt Arnold.
„Die größte Herausforderung für die Zukunft besteht darin, jungen Leuten den Sinn für das Gemeinwohl und die Freude am Gesang näherzubringen, um die Zukunft der Gesangvereine sicherzustellen“, sagt Erika Arnold.