Nidderau/Hanau. Freispruch und zwar Freispruch 1. Klasse, so lautete am Montagmorgen das Urteil gegen die junge Mutter aus Ostheim, die sich wegen Misshandlung mit Todesfolge an ihrem erst 14 Monate alten Sohn seit zwei Wochen vor der Großen Strafkammer in Hanau verantworten musste.
Auch wenn der Verhandlungsverlauf ergeben habe, dass alles auf einen tragischen Unglücksfall hindeute, so war der Prozess doch unvermeidlich, wie dies der vorsitzende Richter Dr. Peter Graßmück bei der Urteilsverkündung erklärte. Zu viele Ungereimtheiten und vor allem das inzwischen wieder zurückgenommene Teilgeständnis der 23-jährigen Angeklagten, dass sie ihren Sohn nämlich in der Todesnacht gegen das Gitter des Kinderbettes gepresst habe, hätten das Gericht zur Prozesseröffnung veranlasst. Von diesem ursprünglichen Anfangsverdacht sei nach den zwei Verhandlungstagen nichts mehr übrig geblieben und deshalb der Freispruch 1. Klasse, also nicht aus juristischen Gründen, sondern aufgrund von Tatsachen.
Der zweite Verhandlungstag begann mit dem Abspielen des Anruf-Mitschnitts der 23-jährigen Ostheimerin bei der Notrufzentrale im August letzten Jahres. Dieser Mitschnitt war für den psychiatrischen Gutachter Prof. Ansgar Klimke ein Indiz, dass sich die junge Mutter um ihr Kind damals echte Sorgen gemacht haben müsse und dass der erste Atemstillstand des Kindes deshalb nicht aufgrund äußerer Gewaltanwendung erfolgt sei. Nach Ansicht des Gutachters lägen bei ihr zwar eindeutige Beweise des borderline-Syndroms, also von Persönlichkeitsstörungen, vor, die führten in er Regel jedoch so gut wie nie zu Verletzung Dritter. Laut dem pathologischen Gutachten ist der kleine 14 Monate alte Junge eindeutig an seinem Erbrochenen erstickt. Die „Blutunterlaufungen“ an seinem Körper, die zunächst zu der Annahme von Gewaltanwendung durch die Mutter führten, stellten sich bei der Autopsie als so heraus, dass sie eher von den 50-minütigen Reanimationsversuchen im Hanauer Klinikum herrühren könnten. „Wenn es sich dabei um vorsätzliche Tötung gehandelt haben sollte, dann hätte die Frau nicht nach Hilfe gerufen“, so Prof. Klimke. Auch Staatswalt Matthias Pleuser räumte in seinem Plädoyer ein, dass sich zu Verhandlungsbeginn der Sachverhalt ganz anders dargestellt habe. Deshalb kam er zu dem Schluss, dass es sich bei dem Tod des Jungen um einen tragischen Unglücksfall gehandelt haben muss und beantragte deshalb Freispruch. (jwn)