Karben. Der vierte Advent ist für viele geflüchtete Menschen in Karben ein besonderer Tag gewesen. Im evangelischen Gemeindehaus in Groß-Karben hatten sie die Chance, sich mit anderen Menschen aus anderen Herkunftsländern zu treffen und einen abwechslungsreichen Nachmittag zu verbringen. Organisiert hat das Gemeinschaftserlebnis die Karbener Flüchtlingshilfe mit dem Mütter- und Familienzentrum (Müze). »Weltflüchtlinge« aus Syrien oder dem Irak trafen auf ukrainische Familien. Allen gemein ist, dass sie in den vergangenen Monaten aus ihren Heimatländern geflohen sind.
Die jüngsten Gäste haben bei diesem Familientreffen die geringsten Berührungsängste. An mehreren Tischen rollen sie Teig aus und stechen Herzen, Sterne, Bäumchen und Rentiere aus. Erzieherin Oksana Ebert und andere Erwachsene assistieren den Kindern. Der überwiegende Teil der Gäste sind Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
Twanajamal Mohammed Rashid ist im Irak geboren. Zum Treffen ist er mit seiner Familie und seinem Schwager aus Friedberg angereist. Dort arbeitet er als Friseur. Vor mehr als fünf Jahren sei er auf abenteuerlichen und strapaziösen Wegen nach Deutschland gekommen, erzählt der Vater von zwei Kindern. »Inzwischen fühlen wir uns hier gut integriert. Die Deutschen haben damals ihre Tür und ihre Herzen geöffnet. 80 Prozent meiner Kunden im Geschäft sind Deutsche. Im Kundenkontakt konnte ich die Sprache erlernen.« Nur einen Sprachkurs habe er besuchen müssen, fügt er noch hinzu.
Sein kleiner Sohn wurde derweil von der Ehrenamtlerin Fiona Janus betreut. Die Frau aus Bad Vilbel unterstützte ihn beim Plätzchenformen. »Durch den Kontakt mit deutschen Kindern im Kindergarten oder in der Schule lernen Flüchtlingskinder unsere Sprache oft schneller als manche Erwachsene«, sagte Janus. Beim Thema Integration hielt sie mit ihren Erfahrungen aus der Praxis nicht hinter dem Berg. Menschen aus der Ukraine kämen mit ganz anderen Voraussetzungen nach Deutschland. Sie seien alphabetisiert, hätten annähernd denselben kulturellen Hintergrund und könnten sich größtenteils auf Englisch verständigen. Eine weitere Feststellung teilt sie offen mit: »Und es kommen fast nur Frauen mit Kindern zu uns, keine alleinstehende Männer.«
Missstände in
Unterkünften beheben
Geflüchteten zu helfen sei eine »erfüllenden Tätigkeit mit schönen Erfolgserlebnissen«, erzählt Fiona Janus. Bei den Leuten, die da sind, habe sie eine große Hilfsbereitschaft auch untereinander wahrgenommen. »Was wir im kommenden Jahr dringend brauchen, sind neue Patenschaften. Wir suchen Menschen, die für die Geflüchteten zu festen Ansprechpartnern werden wollen und sie in allen Lebenslagen unterstützen möchten.« Schon nach Weihnachten beginne ein neuer Deutsch-Sprachkurs.
Iryna Yekurnowa stammt aus der dem ukrainischen Saporischschja, die Stadt, die durch das umkämpftes Atomkraftwerk bekannt geworden ist. Oksana Ebert übersetzte die Botschaft ihrer ukrainischen Landsfrau. Sie fühle sich in Karben sehr gut aufgehoben, sagte Yekurnowa. Einen großen Dank richtete sie an die Frauen und Männer der Flüchtlingshilfe, von deren Einsatz alle, vor allem auch die Kinder, profitierten.
Eine dieser Helferinnen ist Ulrike Loos. Sie weißt auf Missstände in den Flüchtlingsunterkünften hin. »Unter anderem sollte die Stadt über neue Räume für die Fahrradwerkstatt im Industriegebiet nachdenken«, forderte sie. »Dort geht die Heizung nicht, an den Wänden hat sich Schimmel gebildet. Das sind Verhältnisse, die so niemand haben will.« Von Jürgen Schenk