Einen Abriss des Wehrs schließt Bürgermeister Büttner aus, um den Bestand der Ölmühle nicht zu gefährden
Niederdorfelden. Freie Bahn für die Fische. In der Nidder am Rande von Niederdorfelden soll dies ein Umgehungsgerinne ähnlich einer Fischtreppe schon bald möglich machen.
Staumauern, Wehre und Wasserkraftanlagen sind für Fische und Wasserlebewesen normalerweise Wanderhindernisse, die sie aufgrund des Höhenunterschiedes kaum überwinden können. Auf so ein Hindernis stoßen die Fische auch in Niederdorfelden. Bereits vor etwa zehn Jahren wurden Gedanken im Niederdorfelder Rathaus laut, das Wehr und damit das Hindernis in der Nidder zu beseitigen. Aus Kostengründen wurden die Pläne damals wieder beiseitegelegt.
Touristenattraktion
Das etwa 1,5 Meter hohe Wehr wurde vor sehr lange Zeit für die ehemalige Ölmühle, die bereits im Jahr 1266 in den Geschichtsbüchern erwähnt wird, errichtet. Heute wird durch das Wasserrad Strom gewonnen und ist aber vor allem eine der Touristenattraktion in dem kleinen Ort. Deshalb war für Bürgermeister Klaus Büttner (SPD) auch von Anfang an klar, die Mühle muss erhalten bleiben. Dem gegenüber stehen allerdings die EU-Wasserrahmenrichtlinien, die alle EU-Staaten verpflichten, bis spätestens 2027 alle Gewässer in ihrem jeweiligen Land in einen »guten ökologischen« und »guten chemischen Zustand« zu bringen. Dabei bedeutet guter Zustand, die Gewässer so zu gestalten, dass die Lebewesen in ihnen vom Menschen nur gering beeinflusst werden.
Deshalb musste Niederdorfeldens Bürgermeister auch nach einer Maßnahme suchen, die das Wanderhindernis für Fische und andere Flusslebewesen in Form des Wehres in Niederdorfelden für diese passierbar machen und sie vor Verletzungen schützen soll. Als Möglichkeiten boten sich Büttner deshalb eine Fischtreppe oder ein sogenanntes Umgehungsgerinne an, wie es derzeit auch in Nidderau an einem Wehr geplant ist. Ein Abriss des Wehrs in unmittelbarer Nähe zu der alten Ölmühle schließen Büttner und sein Bauamtsleiter Carsten Breitbach aus, weil dadurch die Stilllegung der Mühle, immerhin eine der wenigen Touristenattraktion in der kleinen Gemeinde, drohe. Übrig bleibt also nur eine Umgehungsgerinne. Aber auch diese Maßnahme bedeutet einen geringeren Wasserdurchlauf im Mühlgraben, der von der Nidder gespeist wird.
Weil also beide Maßnahmen erheblichen Einfluss auf den Mühlenbetrieb wegen des reduzierten Wasserzuflusses haben werden, ein Umgehungsgerinne außerdem auch sehr viel Platz in Anspruch nehmen wird, galt es zunächst mit Charlotte Solzer, der Eignerin der alten Ölmühle Einvernehmen zu erzielen. Schließlich kosten Unterhalt und Pflege des historischen Mühlengebäudes viel Geld. Und ohne oder stark reduzierten Einnahme wäre der Erhalt der Mühle in Frage gestellt. Aber der gute Wille auf allen Seiten und wohlmöglich auch der Gedanke an den Natur- und Umweltschutz ebneten den Weg. Ein Abschluss soll jedoch kurz bevor zu stehen. Denn für die angestrebte Umgehungsgerinne wird eine größere Wiesenfläche benötigt und auch die gehört der Mühleninhaberin.
Doch mit der Schaffung der ökologischen Durchgängigkeit für Fische allein gibt sich Büttner nicht zufrieden. Er möchte im gleichen Atemzug auch den Flusslauf der Nidder auf einem Bereich von etwa zwei Kilometer in Höhe von Niederdorfelden renaturieren lassen. Doch auch da gibt es Probleme, denn die Gemarkungsgrenze zu der Nachbarkommune Karben verläuft genau in der Mitte des kleinen Flusses. Weil die Renaturierung nur eines Flussufers wenig Sinn macht, benötigt Büttner das Mitwirken der Nachbarstadt. Und das ist dann eine Frage des Geldes. Denn erste Kostenschätzungen haben für Niederdorfelden allein rund 250.000 Euro inklusive der Planungskosten ergeben. In diesem Betrag ist allerdings auch die Umgehungsgerinne enthalten, und die machten den größten Teil der Kosten aus. Doch auch für Karben wäre die Renaturierung ihrer Flussseite mit Kosten verbunden. Doch als Karbens Bürgermeister Guido Rahn von den Plänen erfuhr, signalisierte er sofort eine wohlwollende Prüfung. »Hier geht es um Naturschutz, und wie kann man da Nein sagen«, so Rahn, der innerhalb seiner Stadtgrenzen schon viel für die Renaturierung allerdings der Nidda getan hat.
Wesentlich erleichtern werden beiden Bürgermeistern ihre Entscheidung die Fördermaßnahmen vom Land und vom Bund, denn deren finanzielle Unterstützung soll bis zu 90 Prozent betragen. »Wenn alles glatt läuft«, freut sich Büttner schon jetzt, « dann sollen die Maßnahmen bereits im kommenden Jahr beginnen und voraussichtlich im Laufe des Jahres 2023 abgeschlossen sein«.