Bad Vilbel. Beim lliberalen Stammtisch begrüßte die Vorsitzende des FDP-Ortsverbandes, Annette C. Jost, den FDP-Europa-Abgeordneten Dr. Wolf Klinz (66) als Gast und Referenten zum Thema „Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft“. Wichtig sei die Stärkung Europas, in dessen Zone mehr Menschen als in den Vereinigten Staaten leben, gegenüber den USA. Größte Hemmnisse der EU seien jedoch Bürgerferne sowie mangelnde Transparenz europäischer Entscheidungsabläufe.
Da Ratsentscheidungen einstimmig von allen 785 Parlamentsmitgliedern (davon 99 deutsche Abgeordnete) aus den 27 Mitgliedsländern getroffen werden müssen, handele es sich bei den Ergebnissen oft um Kompromisse, die in zähen Verhandlungen mit Zugeständnissen erzielt wurden. Es müsse der EU-Kommission gelingen, aus einem gefühlten „Europa der Regierungschefs“ auch ein „Europa der Völker“ zu machen.
„Bisher haben Bürger das Gefühl, Europa ist viel zu weit weg von ihnen.“ Um dies zu ändern, müssten die „Brüsseler Probleme“ angepackt werden. Um eine größere Akzeptanz bei den Bürgern Europas zu finden, müsse die EU effizienter, transparenter und demokratischer werden. Zu den drei großen objektiven Schwächen der 27 Mitglieder großen EU gehörten, zu wenig Koordination bei wichtigen Entscheidungen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. So würden beispielsweise durch Mehrwertsteuerbetrügereien in der EU 200 bis 240 Milliarden Euro Steuern pro Jahr verloren gehen. Eine weitere Schwäche sieht Klinz darin, dass der EU-Haushalt immer noch die falschen Prioritäten setze. Statt mehr in die Forschung und neue Technologien zu investieren fließe das meiste Geld nach wie vor in den Agrarsektor (40%), was spätestens beim Türkeibeitritt zum Riesenproblem werde, und in Strukturfonds (35 %). Die dritte Schwäche der EU liege in der nicht funktionierenden institutionellen Zusammenarbeit, bei der zu große Reibungsverluste entstünden.
Die ersten drei Monate der deutschen Ratspräsidentschaft von Kanzlerin Angela Merkel seien erfolgreich verlaufen, so der liberale Politiker Klinz. So bezog die Kanzlerin von Anfang an in ihre Entscheidungen ihre beiden Nachfolger aus Portugal (ab 1. Juli 2007) und Slowenien (ab 1. Januar 2008) mit ein. Damit habe sie den Grundstein für eine Fortführung ihrer anspruchsvollen Ziele gelegt, unter anderem die Reaktivierung des Prozesses des Verfassungsvertrages mit kleineren Kommissionen, einem gestärkten Parlament und vor allem einer EU-Ratspräsidentschaft, die statt sechs Monaten zweieinhalb Jahre dauere. Angela Merkel komme mit ihrer Mischung aus Durchsetzungswillen und Charme gut im Ausland an. „Sie macht eine bella figura“, bilanziert Dr. Klinz.