Der aus Dortelweil stammende Anwalt und Notar Hansgeorg Jehner gilt als „scheues Reh“, das im Stillen stadtprägende Bauprojekte vorantreibt. Kritiker werfen ihm mangelnde Transparenz vor, sorgen sich um wirtschaftliche Risiken. Er erscheint als Mann, der erhebliche wirtschaftliche Engagements eingeht – von der Neuen Mitte samt Mediatheksbrücke und der Nidda-Renaturierung bis zur Zukunft des Gronauerhofs und der Europäischen Schule.
Bad Vilbel. Auf der Terrasse des Golfclubs Lindenhof ist die Welt in Ordnung. Sanft liegen die Teiche inmitten des Rasens, es ist still und sonnig. Wider Erwarten lässt sich der Gastgeber Hansgeorg Jehner (69) für eineinhalb Stunden auf fast alle Fragen ein, in denen ihm Kritiker Geheimnistuerei unterstellen. Hinter dem ersten Eindruck werden komplexe Motive sichtbar.
Schon der Golfclub ist mehr ein biographischer Zufall als die Absicht, in Dortelweil ein Prestigeobjekt aufzuziehen.
Drei Brüder waren sie zu Hause, berichtet Jehner. Die beiden ältesten, Gerhard und Otto, haben die Landwirtschaft übernommen, er, Hansgeorg, habe Jura studiert. „Das war von meiner Mutter so geplant.“ Erst viel später habe Otto ihn um Unterstützung gebeten. So ist 1995 der Golfclub entstanden. „Das Land gehört vielen Leuten, etwa 15 Eigentümern. Es besteht für den Golfplatz ein Erbbaurecht auf 90 Jahre.“
Beim Bau hatte es große Skepsis wegen des Gewässerschutzes gegeben, doch mittlerweile gelte die Bewässerung der Anlage als beispielhaft für Hessen. Wasser der Nidda werde in Teichen gespeichert und von dort aus werde beregnet. Genauso war es mit dem Naturschutz, erinnert sich Jehner.
Erst Kritik, dann fachliches Lob – dieses Wechselbad der Reaktionen ist für Jehner grundlegende Erfahrung, aus der sich wohl auch seine Skepsis gegenüber öffentlichen Debatten ergibt.
1962 ging Jehner nach der Bundeswehr nach Tübingen zum Jurastudium. In der Hessischen Finanzverwaltung wurde er Regierungsrat. Machte sich aber bereits Mitte der 1970er-Jahre in Frankfurt als Anwalt für Steuer- und Wirtschaftsrecht selbstständig. In den 1990er-Jahren hob er für die 2000 verstorbene Bad Homburgerin Gerty Strohm eine millionenschwere Stiftung aus der Taufe, 2002 gründete er die Humanistische Stiftung. Für beide ist Jehner alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied.
Die Sorge vieler Vilbeler, was etwa aus der Humanistischen Stiftung werde, wenn er sie nicht mehr leiten könne, zerstreut Jehner knapp, ohne Details zu nennen: „Ich habe die Nachfolge geregelt.“
Die Liste der Aktivitäten, die Jehner für und in Bad Vilbel maßgeblich mitentscheidet, ist lang: Der Humanistischen Stiftung gehört das Areal der Neuen Mitte, deren Erlös die Stadt für die Mediathek benötigt. Sie hat auch die Geschäftsanteile der Europäischen Schule GmbH in Dortelweil übernommen. Die Gerty-Strohm-Stiftung hat die Nidda-Renaturierung in Bad Vilbel und Karben mitgestaltet und finanziert, soll auch den Flusslauf am Kurpark umgestalten. Auch den Gronauerhof hat Jehner für die Gerty-Strohm-Stiftung erworben. Außerdem gehört ihm der Golfclub und er ist im Vorstand der BVB-Stiftung. Seit 1998 ist er Präsident des Hessischen Golf-Verbands. So viele Aufgaben – wie schafft er das? Man müsse versuchen, die Kräfte der Selbstorganisation zu nutzen, erläutert er am simplen Beispiel von Einkaufswagen. Die hätten früher kreuz und quer herumgestanden, bis das Pfand eingeführt worden sei: „Nun stehen sie in einer Reihe“.
Vier große Filialisten
Bei der Neuen Mitte gebe es eine Objektgesellschaft; er, Jehner, habe nur die Verantwortung für die Vermietung selbst in die Hand genommen. Neben den vier großen unter Vertrag genommenen Filialisten H&M, Drogerie Müller, Görtz und Depot stünden noch vier kleinere Läden zur Vermietung an.
Gerade die Neue Mitte sieht Jehner wenig qualifizierter Kritik ausgesetzt. Er habe seinerzeit von ersten Vorschlägen gehört, die „schrecklich“ gewesen seien: mit Dachparkplatz, einem nahezu vollständig überbauten Zentralparkplatz oder einem Supermarkt auf der Kurhausseite. Darauf habe er den mit ihm gut bekannten, im Dezember 2010 verstorbenen Münchner Architekten Fred Angerer um einen Vorschlag gebeten. Sein Motiv: „Das urbane Leben der Städte um Frankfurt, das nicht zuletzt durch eine attraktive Einkaufslandschaft geprägt wird, droht auszubluten.“ Die Bad Vilbeler hätten überdurchschnittlich viel Kaufkraft, gäben sie aber auswärts aus – „ich gehöre auch dazu“, bekennt Jehner. Es gebe am Ort zu wenig attraktive Einkaufsmöglichkeiten. Und die Vilbeler hätten für heimisches Einkaufen zu wenig Bewusstsein. Das müsse sich ändern.
Bei der Neuen Mitte steht der Gedanke an Profit offenkundig nicht im Vordergrund. „Eine Tiefgarage verursacht hohe Kosten und kaum Rendite. Das Gleiche gelte für den rund 2000 Quadratmeter großen Platz, der bestimmungsgemäß ganz überwiegend der Allgemeinheit dienen wird – das sind finanzielle Anforderungen, die kein professioneller Baulöwe auf sich nimmt.“
Die Vorwürfe von SPD und Grünen wegen undurchsichtiger Zahlungsmodalitäten beim Verkauf der Neuen Mitte rufen bei Jehner nur bedauerndes Kopfschütteln hervor. „Ich hätte es ihnen erklären können.“ Sein generelles Gesprächsangebot werde jedoch kaum angenommen.
Wer vorwurfsvoll nach mehr Transparenz rufe und das Angebot, tiefen Einblick nehmen zu können, nicht wahrnehme, für den habe er wenig Verständnis.
Jehner verrät gerne die konkreten Zeitpläne zur Neuen Mitte. Der Rohbau soll im August 2012 fertig sein. Ab diesem Zeitpunkt könne parallel die Mediathek entstehen. Beide sollen gleichzeitig, im Frühjahr 2013, eröffnet werden. Die Nidda-Renaturierung am Kurpark könne im Winter 2012 / 2013 starten. „Ob die Neue Mitte Bestand hat, hängt allein vom Zuspruch der Bad Vilbeler Bevölkerung ab, da steckt das Risiko drin, deshalb muss sie sehr schön werden“, gibt Jehner zu bedenken. „Wenn die Bad Vilbeler sie nicht annehmen, geht die hochwertige Nutzung zurück. Anstelle von beispielsweise H&M, Drogerie Müller oder Goertz treten dann weniger renommierte Adressen.“ Die neuen Geschäfte und das aufgewertete Stadtbild böten den vielen inhabergeführten Geschäften in der Frankfurter Straße Chancen – was von diesen genauso gesehen werde.
Voran geht es auch am Gronauerhof. „Die Mähmaschinen sind schon da“, sagt Jehner und meint die 40 dort grasenden Hereford-Rinder. Bei den Hofgebäuden sei „immer noch nicht klar, was es schlussendlich wird.“ Das Wohnhaus wurde entkernt. Die zum Teil heruntergekommenen Gebäude stehen unter Ensembleschutz. Für einen Reiterhof sei die ehemalige Staatsdomäne zu klein.
Stichwort „unfundierte Parteienkritik“: Beim Gronauerhof habe erfreulicherweise niemand geklagt, als die Gerty-Strohm-Stiftung Land zur Renaturierung erworben habe. „Aber als ich dann bereit war, zur Entlastung der Stadt auch die Geld verschlingende unrentable Hofreite durch die Stiftung zu übernehmen, war die Opposition von SPD und Grünen wider alle wirtschaftliche Vernunft dagegen. So etwas verstehe ich nicht.“ Bei der Nidda-Renaturierung, dem Gronauerhof und selbst der Neuen Mitte könne man nicht von Mehrwert sprechen.
Nachwuchs fördern
Hansgeorg Jehner geht es, wie er herausstellt, auch um die Förderung der Quellen des allgemeinen Wohlstands. Deswegen unterstützt er etwa mit der BVB-Stiftung den naturwissenschaftlichen Nachwuchs an Schulen, finanziert hochklassige Konzerte für junge Talente und spendet den Erlös für die Musikschule Bad Vilbel / Karben und die Musikhochschule in Frankfurt.