In der vorigen Woche feierte Hassia-Seniorchef Günter Hinkel seinen 80. Geburtstag.
Bad Vilbel. Der Jubilar hat nicht nur den Brunnenbetrieb in die Bundesliga der Branche geführt und in Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern neue Betriebe aufgebaut, sondern auch in der ganzen Stadt mit seinem Engagement das soziale Leben bereichert: vom Haus der Begegnung bis zum Quellenfest, vom Römerspielplatz bis zum Brunnen- und Bädermuseum. Denn Däumchendrehen ist für den Pensionär keine Option. Noch immer widmet er sich intensiv den Hassia-Immobilien und der Historie des Familienbetriebs.
Günter Hinkel ist inzwischen der älteste Mitarbeiter des Familienunternehmens Hassia in fünfter Generation. Doch auch er hat klein angefangen. Hinkel wuchs mit dem Betrieb auf, denn sein Elternhaus am Marktplatz, in dem heute das Restaurant Centro untergebracht ist, lag direkt neben dem Betriebsgelände auf dem heutigen Marktplatzzentrum. Dicht gedrängt stapelten sich damals auf dem Gelände die Holzkisten, für deren Reparatur er als kleiner Junge jeweils zehn Pfennig bekam. Damals waren zehn Mitarbeiter nötig, heute drei Beschäftigte für die sechs- bis achtfache Menge an Flaschen.
Risiko eingegangen
Aber auch das Stadtbild von Bad Vilbel stand damals ganz im Zeichen der Brunnenindustrie. Von den meist kleineren 33 Brunnenbetrieben vor dem Zweiten Weltkrieg waren in den 50er-Jahren noch 21 übrig, die sich in der Innenstadt verteilten. „Anfang der 50er war da im Sommer der Teufel los, ganz Vilbel hat Kopf gestanden.“ Denn das Wassergeschäft war ein saisonales – und es gab wenig Lagerkapazitäten.
Die Folge: Lastwagenkolonnen der Spediteure belagerten die ganze Parkstraße, Wartezeiten von 20 Stunden seien damals nicht selten gewesen. Im Winter habe sich das Geschäft dann gewandelt: die saisonal arbeitslosen Wasserhändler fuhren Kohle aus. In einem Wintermonat wurden nur drei Prozent des Jahresumsatzes gemacht. Das änderte sich in den 1960er-Jahren. Da stand Günter Hinkel schon voll in der Firmenverantwortung. Direkt nach seinem Hochschulabschluss in Betriebswirtschaftslehre begann seine Laufbahn 1962 als Assistent der Geschäftsleitung. Damals hatte das Unternehmen 200 Mitarbeiter, heute sind es tausend. Mit 30 übernahm er die Firmenleitung von seinem Vater Wilhelm. Die erste große Entscheidung fällte er 1972 mit der Verlegung des Firmensitzes in die Gießener Straße.
„Das hat in einem Jahr zehn Millionen D-Mark gekostet, das war auch unser damaliger Jahresumsatz“, sagt er. Eine riskante Entscheidung, aber die richtige. „Ich hatte unser altes Grundstück verkauft – das wäre nicht nötig gewesen.“ Denn damals, in den frühen 70er-Jahren, zog der Mineralwasserkonsum plötzlich an – befördert durch die entstehende Gesundheitswelle und den Alkoholverzicht beim Autofahren, vermutet er.
Doch der Umsatzzuwachs ist nur ein Teil des Hassia-Erfolgskonzepts. Der andere sind die Zukäufe: In Bad Vilbel, wo es weiterhin noch 30 Quellenvorkommen im Stadtgebiet gab, bestanden nur noch die 1982 fusionierten Hassia & Luisen-Brunnen, 17 Betriebe wurden sukzessive übernommen. Aber stets durch freundschaftliche Kontakte, „wir mussten niemand überreden“, betont Hinkel.
Aufbau im Osten
Als größte Herausforderung hat Hinkel Anfang der 1990er den Aufbau in Ostdeutschland erlebt. Die Neugründung des Lichtenauer Brunnens in Sachsen, das war „zwei Jahre wilder Osten, wir waren manchmal zwölf Stunden auf der Autobahn unterwegs“, so Hinkel, dessen zweite Leidenschaft neben dem Wasser die Architektur ist. Er hat den neuen Brunnenbetrieb, halb so groß wie der Stammsitz, maßgeblich konzipiert und in nur acht Monaten bauen lassen.
Neben seinem unternehmerischen Handeln hat sich Günter Hinkel auch durch bürgerschaftliches Engagement verdient gemacht und wurde als „Ehrenbürger“ gewürdigt (siehe auf dieser Seite die Rubrik „Der direkte Draht“.
„Däumchendrehen ist nichts für mich“, sagt Günter Hinkel und findet, Arbeit und Engagement halten auch im Alter fit. Schmunzelnd erinnert sich Hinkel an seine Verabschiedung vor 15 Jahren, als er die Geschäfte an Sohn Dirk übergab. Ein Mainzer Fastnachtsredner lobte den Ruhestand als eine Kutschfahrt in die Dauerfreizeit – „aber am Montag war ich wieder da“ – im Büro. Es gebe seit kurzem eine Verabredung mit seiner Frau Monika: „Den Freitagnachmittag halte ich mir frei“, sagt er.