50 Jahre Dottenfelderhof: Das Jubiläum feierte der Hof am 8. April, genau 50 Jahre, nachdem neun Gründer ihre Unterschrift unter den Pachtvertrag gesetzt hatten. Heute gilt die biologisch-dynamische Landwirtschaft, für die der Hof steht, als richtungsweisend, damals wurde die Ideologie belächelt. Mit vielen Schwierigkeiten wurden die Gründer konfrontiert, denn beinahe wäre der „Dotti“ einst zum Frauengefängnis umgebaut worden.
Bad Vilbel. Als Pioniere der biodynamischen Landwirtschaft bezeichnen sich die Landwirte des Dottenfelderhofs gerne – und das zu Recht. Mit einer eigenen Landbauschule, die auch weltweit bekannt ist, eigener Getreide- und Gemüsezucht, muttergebundener Kälberaufzucht oder chemiefreien Anbaumethoden.
Schimmelbekämpfungsmittel zum Beispiel benötigt der Hof nicht, denn das Getreide wird mit ausreichend Abständen und Furchen zwischen den Pflanzen angebaut, der Wind sorgt so für die Schimmelabwehr. Doch was heute als zukunftsweisend gilt und den Ruf des Hofs geprägt hat, wurde vor 50 Jahren, als der Dottenfelderhof von fünf Landwirten und vier Frauen gegründet wurde, belächelt, galt sogar als schädlich. Was hat sich vom damaligen Gedanken der Gründergemeinschaft, 1968, in die heutige Zeit hinübergerettet?
„Ernst Becker heiratete damals in den Hof ein“, erinnert sich Dieter Bauer, eines der Gründungsmitglieder des Dottenfelderhofs. Der heute 79-Jährige lebt noch immer auf dem Hof, doziert in der Landbauschule. „Ernst Becker stieg aber nach einiger Zeit wieder aus. Die Bewirtschaftung des Hofes verlief damals nicht sehr vorbildlich“, sagt Bauer. Gefängnisinsassen hätten als Arbeiter gedient, als chaotisch beschreibt Bauer die Zustände auf dem Hof vor 1968.
Forschung in Darmstadt
„In Darmstadt wurde damals schon lange in Sachen biologisch-dynamischer Landwirtschaft geforscht, dort haben wir uns damals kennengelernt“, sagt Bauer. Auch Ernst Becker gehörte zum Darmstädter Forschungsring und lenkte den Blick der Freunde nach Bad Vilbel. So entstand in den jungen Köpfen die Idee, einen Hof biologisch-dynamisch zu bewirtschaften – den Dottenfelderhof. „Der Hof war aber Landeseigentum, und die Nassauische Siedlungsgesellschaft war sehr an dem Gelände interessiert“, sagt Bauer. „Die wollten viel Kapital aus diesem Gelände schlagen, das waren sozusagen unsere Gegenspieler.“
Eine Rennbahn oder ein Frauengefängnis lauteten die Pläne der Siedlungsgesellschaft für das Hofgelände damals. Bauer und seine Mitstreiter hingegen konnten kaum Kapital vorweisen und waren zusätzlich Vertreter einer damals fragwürdigen Ideologie. „Es gab keine Bio-Höfe in Hessen. Man dachte damals, das würde die Böden zerstören. Von den Landwirten der Region brauchten wir deshalb keine Unterstützung zu erwarten“, schildert der Gründer. „Ich meine, wir waren zum Teil studierte Landwirte. Aber selbst unsere engsten Freunde glaubten damals nicht, dass wir es schaffen könnten.“
Er persönlich habe schon immer die Idee gehabt, so ein Projekt zu wagen. „Mutige Menschen in der Landesregierung“, wie Bauer sagt, hätten den fünf Landwirten und ihren Frauen schließlich den Vortritt vor der Siedlungsgesellschaft ermöglicht. „Vier Jahre hatten wir um den Pachtvertrag gekämpft. Am 8. April 1968 konnten wir unterschreiben“, erinnert sich Bauer.
Indes mit etwas Bauchschmerzen, wie er heute noch weiß: „In Hainstadt war ein ähnliches Projekt kurz vorher am Veto der Ehefrauen der Landwirte gescheitert. Schließlich entscheidet man sich mit dem Vertrag für ein Zusammenleben auf dem Hof.“ Die Ehefrauen der fünf Landwirte hätten den Vertrag aber mitunterzeichnet: Ebba und Dieter Bauer, Johanna und Knud Brandau, Irmgard und Ernst Becker, Johannes und Lieselotte Klein und Manfred Klett. „Ich dachte, das muss jetzt gelingen.“ Blauäugig hätten seine Kollegen und er das Projekt nicht gestartet, das gemeinsame Denken fungierte als Zugpferd: „Ich glaube nicht, dass das ohne die Philosophie der biologisch-dynamischen Landwirtschaft im Hintergrund gegangen wäre“, schätzt Bauer.
400 000 Deutsche Mark
400 000 Deutsche Mark habe man zusammenbekommen müssen, alleine, um das Inventar für die Bewirtschaftung anschaffen zu können. „Wir haben alles in Bewegung gesetzt, die Verwandtschaft angebettelt. Die Gemeinschafts-Bank für Leihen und Schenken hat uns geholfen“, erinnert sich der Landwirt. Der Viehbestand sei von Beginn an sehr gut gewesen, außer dem ein oder anderen Bullen habe man kein Tier mehr hinzu kaufen müssen. Heute sind es 80 Milchkühe, sechs Zuchtsauen, mehrere Hühner, Pferde und Schafe. Sehr einfach lebten die fünf Familien damals auf dem Dottenfelderhof. „Die Gebäude waren nicht gut in Schuss.“
Schnell begann man, Führungen vor allem für Landfrauenvereine, anzubieten. „Wirtschaftlich ging es uns nicht so schlecht“, weiß Bauer. „Dass wir gemeinsam aus einem Topf lebten, erschreckte die meisten. Wir hatten eine Gefriertruhe, da war Fleisch drin. Man nahm sich etwas und aß so viel, bis man satt war.“ Noch heute leben die Familien auf dem Dottenfelderhof so, jeder nimmt sich, was er braucht.
Ausbildung anbieten
„Führungen anzubieten und junge Landwirte auszubilden, war mit das Wichtigste für uns. Das ist heute noch so“, erklärt Bauer. Das Weitergeben von Wissen über die biologisch-dynamische Landwirtschaft sei immer Leitmotiv des Hofs gewesen.
Einen Hehl um den Nachteil der biologischen Bewirtschaftung möchte man nicht machen: „Qualität und viel Ertrag vertragen sich nicht miteinander“, weiß der 79-Jährige. Die Vermarktung der Erzeugnisse funktioniert im Hofladen, Studenten aus der ganzen Welt besuchen die Landbauschule, um die biologisch-dynamische Landwirtschaft zu erlernen, über 100 Schulklassen lassen sich jährlich übers Landgut führen. „Unsere Ideale von damals haben sich nicht nur hinübergerettet. Sie sind stärker denn je“, kann Dieter Bauer heute feststellen und strahlt über diese Leistung der damaligen und heutigen Hofgemeinschaft.