Karben. Das Continental Automotive Werk in Karben wird nun doch nicht komplett geschlossen. Es bleibt bis Ende 2025 erhalten, aber in stark abgespeckter Form. Voraussichtlich rund 340 der aktuell knapp 1100 Mitarbeiter bleiben noch vor Ort. Ursprünglich sollte das Werk Ende 2023 geschlossen werden, aber massive Proteste, unterstützt von Politik und Stadt, haben zu einem Kompromiss in zähen Verhandlungen geführt.
Die Nachricht kam per E-Mail um Schlag 14 Uhr in die Redaktion: »Verhandlungsergebnis bei Continental in letzter Minute erzielt«, lautete die Überschrift. Denn die Gewerkschaft IG Metall wollte exakt an diesem Donnerstag ihre Mitglieder zu einem unbefristeten Streik aufrufen. Seit Monaten kämpfen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Gewerkschaften und unterstützt von der Stadt und einem breiten politischen Bündnis für den Erhalt des Standortes. Nun teilte der 1. Bevollmächtigte der IG Metall, Michael Erhardt, mit, die Standortschließung sei vom Tisch, es werde zudem ein Projekt zur Standortentwicklung gestartet und es gebe einen »Karbener Weg« für Übergänge in den Ruhestand. Es gebe zudem Abfindungen sowie einen Solidarfonds für Leiharbeiter/innen und befristet Beschäftigte.
Langwierige
Verhandlungen
Im Detail teilt Erhardt mit, dass die ursprünglich geplante vollständige Schließung des Standorts Karben zurückgenommen werde. Die Continental Engineering Services (CES) bleibe mit 187 Beschäftigten am Standort. Für den ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt der Schließung der Continental Automotive GmbH zum 31. Dezember 2023 werde zugesichert, mindestens 150 Mitarbeiter weiterzubeschäftigen. Das bedeute: »Der geplante Auslauf der Aktivitäten der Continental Automotive GmbH wird um zwei Jahre geschoben.«
In den laut Gewerkschaft zähen und langwierigen Verhandlungen sei zudem vereinbart worden, dass für den Standort ein Projekt zur Nachnutzung aufgelegt werde, das gemeinsam von der IG Metall und dem Unternehmen gesteuert werde. Die IG Metall will die Stadt Karben bitten, sich an dem Projekt zu beteiligen. Ziel ist die Ansiedlung von anderen Unternehmen.
Weiterhin wurde laut Ehrhardt vereinbart, dass ein umfangreich ausgestattetes Altersteilzeit-Programm für Übergänge in den Ruhestand angeboten werde, für das etwa 300 Beschäftigte infrage kämen.
»Für Beschäftigte, die nicht weiterbeschäftigt werden können, werden Abfindungskonditionen angeboten«, heißt es in der Mitteilung weiter. Es werde eine Transfergesellschaft eingerichtet, die für zwölf Monate mit einem Qualifizierungsbudget von 5000 Euro je Beschäftigtem ausgestattet werde. Hinzu kämen Beiträge der Agentur für Arbeit. Aufgabe ist die Qualifizierung und Vermittlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu anderen Unternehmen.
Hoffnungen ruhen
auf CES
Laut IG Metall gebe es zudem für deren Mitglieder umfangreiche Bonusregelungen für Kinder, Schwerbehinderung und Betriebszugehörigkeit sowie einen Rentenbaustein. Im Verhandlungsergebnis ist auch eine Regelung für einen Solidarfonds für Leiharbeiter und befristet Beschäftigte enthalten, die Mitglieder der IG Metall sind.
Den von der IG Metall mitgeteilten Kompromiss bestätigte ein Unternehmenssprecher gegenüber dieser Zeitung. Detailliert wollte er aber nicht Stellung beziehen, weil vereinbart worden sei, dass die Kommunikation von der Gewerkschaft ausgehe.
Der 1. Bevollmächtigte betont gegenüber der Zeitung, dass »wir das Ergebnis nicht schönreden können«. Das Werk werde deutlich kleiner. »Aber die Alternative wäre gewesen, nichts zu erreichen.« Man habe Hoffnung, dass die Continental Engeniering Service CES in den nächsten Jahren mehr Aufträge erhalte. Bei CES werden Spezialteile für Fahrzeuge teilweise im 3-D-Druck hergestellt. Die jetzige Leiterplattenproduktion beim Automotive-Werk könnten eventuell ebenfalls von CES gemacht werden.
Bürgermeister Guido Rahn (CDU) hat den Kompromiss begrüßt. Nachdem ursprünglich die komplette Schließung im Raum gestanden habe, sei der Erhalt von 340 Arbeitsplätzen »schon ein großer Erfolg«. Zudem sei der Zeitraum der Arbeitsplatzreduzierung um zwei Jahre verlängert worden, und die IG Metall habe sehr gute Übergangsregelungen ausgehandelt. »Die Kooperation von IG Metall und Stadt war sehr gut, und wir begrüßen den Erhalt des Standortes in Karben.«
Die entscheidende Frage werde sein, was auf diesem Betriebsgelände zusätzlich an neuen Beschäftigungsmöglichkeiten erfolgen könne, sagt der Bürgermeister Guido Rahn.
Von Holger Pegelow