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Eindringlich in Wort und Bild

Mit gespannter Aufmerksamkeit wurde die Szenische Lesung vom Publikum verfolgt. Der große Kurhaus-Saal war trotz sehr gutem Ausflugswetter mit mehr als 300 Besucherinnen und Besuchern voll besetzt. Foto: Hirschmann
Mit gespannter Aufmerksamkeit wurde die Szenische Lesung vom Publikum verfolgt. Der große Kurhaus-Saal war trotz sehr gutem Ausflugswetter mit mehr als 300 Besucherinnen und Besuchern voll besetzt. Foto: Hirschmann

Bad Vilbel. Ein Geheimplan gegen Deutschland? Teils hochrangige AfD-Politiker, finanzstarke Unternehmer und Neonazis trafen sich am 25. November vergangenen Jahres in einem Hotel bei Potsdam, um die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland zu planen. Diese sollte aufgrund von rassistischen Kriterien erfolgen, egal ob die Menschen einen deutschen Pass haben oder nicht.
Im Januar machte das Recherche-Netzwerk Correctiv seinen Bericht über ein Treffen öffentlich. Aufgrund der investigativen Recherche und der nachfolgenden Berichterstattung der Medien gingen Hunderttausende auf die Straße. Nun wurden die Recherchen in Bad Vilbel in einer szenischen Lesung auf die Bühne gebracht.
Norbert Nakoinz, Vorsitzender der Naturfreunde, begrüßte im Namen der Veranstalter, der Arbeiterwohlfahrt Bad Vilbel, der Naturfreunde, der Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer und dem Kulturamt der Stadt etwa 320 Zuhörer im Kurhaus-Saal der Vilco. Die Veranstalter hatten in der Reihe »Bad Vilbel steht auf« zu einer szenischen Lesung der Correctiv-Recherche eingeladen. Das Projekt wird gefördert von der Partnerschaft für Demokratie Wetterau aus dem Förderprogramm »Demokratie leben!« des Bundesfamilienministeriums und kofinanziert vom Land Hessen.
»Die Veranstaltung ist die erste politisch-kulturelle Veranstaltung im gerade erst wiedereröffneten Kurhaus. Die Texte und Bildeinspielungen für die szenische Lesung sind mit dem Volkstheater Wien und dem Berliner Ensemble als Koproduktion von Correctiv entstanden«, sagte Nakoinz. Die Lesung wurde am 4. Februar in Friedberg gezeigt. Die dort beteiligten Akteure vom Helden-Theater Friedberg und vom Theater Alte Feuerwache Bad Nauheim traten auch in Bad Vilbel auf. Lukas Hölzinger aus Friedberg fügte die Bilder und Videos als Powerpoint-Präsentation zusammen.
Drei Zielgruppen
der Remigration

Stadträtin Ute Petersen sprach von ersten Gehversuchen der Demokratie in den 20er Jahren. Damals hätten sich vielerorts Arbeiter zusammengefunden und Volkshäuser erbaut. 1933 habe das Ermächtigungsgesetz die Gemeinschaften zerschlagen. »Auch mein Großvater wurde, weil er Sozialdemokrat war, in das KZ Dachau verschleppt«, sagte sie. Demokraten müssten sich weiter zeigen und Haltung vermitteln.
Was auf dem Treffen der rechtsextremen Szene in Potsdam verhandelt wurde, wurde von den Akteuren teils im Wortlaut vorgetragen. Foto- und Filmaufnahmen des Recherche-Teams waren durch Projektionen auf einer Leinwand zu sehen.
Über Ziele und Methoden der rechtsextremen staatsfeindlichen Szene wurde so ein eindringliches Bild gezeichnet. So habe der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner geäußert, es gebe drei Zielgruppen der »Remigration«. Dies seien »Asylanten«, »Nichtstaatsbürger« und die »Staatsbürger, die nicht assimiliert seien«. Für letztere Gruppe habe er vorgeschlagen, diese Menschen durch »maßgeschneiderte Gesetze« sowie hohen »Assimilations- und Anpassungsdruck« zu bewegen, das Land zu verlassen. AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy habe erwogen, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche zu entziehen.
Ein weiterer Aspekt sei ein »Musterstaat« in Nordafrika, in dessen Gebiet bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, auch alle, die sich für Geflüchtete einsetzten. Der Vorschlag erinnere an eine alte Idee. 1940 planten die Nationalsozialisten vier Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren. Nur zwei Jahre später habe die Wannsee-Konferenz stattgefunden, bei der Vertreter von Reichsregierung und SS besprachen, wie der beschlossene Völkermord an den europäischen Juden zu organisieren sei.
Exekutive
und Judikative

Eine zentrale Aussage der Recherche bezieht sich auf die Idee der Zusammenlegung von Exekutive und Judikative. Historisch gebe es dafür das Beispiel der Gestapo. So könne man beides tun: Ermitteln und verfolgen.
Von der Konferenz bleibt ein rechtsextremer Zahnarzt zurück, der sein konspiratives Netzwerk offenlegte, ein Treffen von Rechtsradikalen mit Vertretern der Bundes-AfD, ein Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern aufgrund ihrer Ethnie, also ein Plan, die Artikel 3, 6, 16 und 21 des Grundgesetzes zu unterlaufen. Darüber hinaus die Offenlegung mehrerer potenzieller Spender für Rechtsextremismus, ein Bundestagsmitarbeiter und Rechtsextremer, der damit prahlte, Schlägertrupps auf Kronzeugen zu jagen und mit Gestapo-Methoden zu versuchen, die Gewaltenteilung aufzuheben sowie ein Verfassungsrechtler, der juristische Methoden beschreibt, um demokratische Wahlen systematisch anzuzweifeln, ein Landtagsfraktionsvorsitzender der AfD, der Wahlspenden an der Partei vorbei organisieren will und ein Hotelbesitzer, der etwas Geld einnehmen konnte.
Von Georgia Lori