Der syrische Flüchtling Mazen Kalaje möchte sich bei den Bad Vilbelern für ihre Hilfsbereitschaft bedan- ken – und hilft täglich als „Mädchen für alles“ im DRK-Kleiderladen mit. Sein großer Traum ist es, als Sportlehrer zu arbeiten.
Bad Vilbel. Seine Vergangenheit merkt man Mazen Kalaje (32) auf den ersten Blick nicht an. Mit einem fast schüchternen Lächeln sitzt er ruhig neben Kleiderladenchefin Silke Zuschlag, die von seiner Flucht aus Syrien erzählt – und wie er im Januar das erste Mal den Laden betrat, auf der Suche nach einem kleinen Reisebett für seinen jetzt 16 Monate alten Sohn. Es musste etwas Kleines sein, denn Kalaje lebt mit Frau, Kind und Schwiegermutter in einem Zimmer.
Damals stellte er auch gleich die Frage: „Kann ich hier arbeiten?“ Denn in seiner Flüchtlingsunterkunft sprächen alle nur Arabisch – und außerdem wolle er mehr tun, als nur essen und schlafen. „Ich helfe hier für Deutschland“, sagt er. „Ich muss hier jeden Tag helfen“, sagt er – nicht, weil er muss, sondern um seine Dankbarkeit zu zeigen. In dem Kleiderladen engagiert er sich seither täglich bis zu sechs Stunden – außer an Tagen, wo er zum privat organisierten Sprachkurs muss. Er räumt auf, putzt, schleppt die schweren Lieferungen mit neuen Kleidern ins Lager und bedient Kunden. „Wenn ich Arbeit habe, schlafe ich gut“, sagt er. Kleiderläden mit Selbstbedienung – so etwas gab es in Syrien nicht, wo er auch als Verkäufer bei einem Herrenausstatter tätig war.
Als er das erste Mal im DRK-Laden stand, habe sie sich mit ihm nur mit Händen und der Übersetzung per Smartphone verständigen können, erinnert sich Zuschlag. Jetzt, kaum zwei Monate später, hat Kalaje schon einen großen Wortschatz. Besonders der ständige Kontakt im Laden erleichtert ihm das Sprachenlernen ungemein. Dabei agiert er auch als Dolmetscher für andere Flüchtlinge, täglich kämen zehn bis 20 vorbei, erzählt Zuschlag. Meist nicht, um zu kaufen, sondern des Treffpunktes wegen. Zumal der DRK-Kleiderladen die einzige Ausgabestelle für Flüchtlinge ist, wo es neben Kleidern auch viele andere Dinge wie Möbel und Hausrat gibt. Nur eines möchte Zuschlag nicht mehr sehen: Dass Spender sichtlich abgetragene Sachen abliefern, weil die „für Flüchtlinge noch gut genug“ seien. Das sei „unwürdig“. Auch Flüchtlinge hätten den Anspruch, normale, tragbare Kleidung zu bekommen.
Haus zerstört
Kalaje erinnert sich an seine syrische Heimat. Dass er irgendwann wieder zurückkehren wird, daran glaubt er nicht mehr. Zu lange währt der Krieg, sein Haus ist zerstört und vor allem denkt er an seinen Sohn Mohammed, dem er eine bessere Bildung in Deutschland verschaffen möchte.
Seine Flucht nach Deutschland hat 15 Tage gedauert. Per Bus ging es in die Türkei, von Griechenland über die Balkanroute, Österreich und Köln nach Bad Vilbel. „Die Menschen in Bad Vilbel sind gut, sie möchten helfen“, ist sein Eindruck geblieben. In Syrien hat er sich mit verschiedenen Talenten ein Einkommen geschaffen: „Die meisten Syrer haben zwei, drei Jobs“, erzählt er. Er hat in Syrien eine Sportlehrerlizenz, arbeitete an Schulen. Die aber sei ungültig, weil er das Land verlassen habe. Außerdem habe er schon mit zehn Jahren mit der Schauspielerei begonnen und sogar als „Shylock“ die Hauptrolle in einem Shakespeare-Stück im Theater von Aleppo gespielt. Doch das ist lange her – bevor die „Daish“ kamen. So nennen sie in Syrien abfällig die Terrorbanden des selbsternannten „Islamischen Staates“, die auch sein Haus zerstört hätten.
Jetzt, in Bad Vilbel, hat er vor allem ein Ziel: Wieder als Sportlehrer zu arbeiten. Er hat schon Kontakt zum Dortelweiler Fun-Ball, wo er als Betreuer mithilft beim Kindertraining, bei Fußball, Basketball und Tischtennis. Doch um richtig einzusteigen als Sportlehrer, benötige er eine zweite Lizenz. Außerdem läuft noch sein Asylverfahren. Das könne bis zu zwei Jahren dauern, befürchtet Silke Zuschlag.
Sie setzt sich sehr für Flüchtlinge ein, da habe es noch nie ein Problem gegeben. Die Flüchtlinge bekämen beim DRK im Übrigen nichts umsonst, sondern nur 20 Prozent Rabatt – wie alle Kunden, die ihre soziale Bedürftigkeit nachweisen könnten. (dd)