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Bad Vilbel – Sie sind jung, international, innovativ – und sorgten gemeinsam für ein fulminantes Abschlusskonzert des Festivals »Schubertiade plus« im Bad Vilbeler Kurhaus: Das Eliot-Quartett, das zu den Mitveranstaltern des für die Quellenstadt neuen Formats gehörte, brachte gemeinsam mit dem befreundeten Malion-Quartett George Enescus komplexes Streichoktett in C-Dur sowie das Streichoktett in Es-Dur von Felix Mendelssohn Bartholdy zu Gehör und ernte für seine Performance großen Applaus.
»Was kann es Schöneres geben, als zusammen mit guten Freunden diese wundervolle und kontrastreiche Musik aufzuführen«, hatte Cellistin Bettina Kessler vom Malion-Quartett gesagt. Und diese große gemeinsame Spielfreude, das inhaltliche und emotionale Eintauchen und auch das körperliche Verschmelzen mit dem Instrument waren es, die das Konzert neben dem exzellenten Können des Ensembles so eindrücklich machten.
Eine Fülle
von Spielarten
»Das Oktett ist für uns eine Ausnahme«, erläuterte Kessler. »Wir sind es gewohnt, als Quartett allein zu musizieren, oder wir begleiteten einen Pianisten, eine Sängerin. Die Doppelbesetzung ermöglicht eine Fülle sonst selten gehörter Spielarten, an denen Sie sich heute erfreuen können.« Die Entscheidung, die Schubertiade plus mit Enescu und Mendelssohn Bartholdy zu beschließen, sei in Ermangelung einer Oktett-Komposition bei Schubert gefallen. Dmitry Hahalin vom Eliot-Quartett (Viola) übernahm die Vorstellung des rumänischen Komponisten, Violinisten, Pianisten und Dirigenten George Enescu (1881-1955), der in Deutschland vor allem als Geiger, nicht jedoch in seinem umfangreichen kompositorischen Schaffen bekannt ist. »Das von Kennern oft mit Mozart verglichene musikalische Genie studierte ab einem Alter von sieben Jahren am Wiener Konservatorium, schloss seine Ausbildung dort mit Auszeichnung ab und ging im Anschluss nach Paris«, erläuterte Hahalin.
»Enescu war ein Wanderer zwischen Zeiten und Welten, ein Kosmopolit, der in seinem Werk so viele Themen, Umbrüche und Innovationen aufgriff, dass es bis heute nicht völlig erschlossen ist. Dabei sagte der Meister stets von sich selbst, er werde bei weitem zu Lebzeiten nicht alles kompositorisch umsetzen können, was in seinem Kopf existiere.« Hahalin empfahl, das folgende Streichoktett wenn möglich mehrmals zu hören, um sich alle neun Themen im Detail zu erschließen, die beim ersten Hören in ihrer Fülle kaum zu erfassen seien.
Elfen, Hexen
und Magier
Der Geniestreich des 19-jährigen Enescu, der in dem Werk Elemente der Spätromantik und des Brahmsschen Wien, des Pariser Lebensgefühls zu Beginn der Moderne mit Volksliedern seiner rumänischen Heimat, Klängen aus der orthodoxen Kirche sowie gelegentlichen Vorausgriffen auf moderne Filmmusik verschmilzt, verfehlte beim Publikum der Schubertiade plus seine Wirkung nicht. Ein kleiner Ausschnitt wurde folgerichtig als Zugabe eingefordert.
Das Streichoktett Es-Dur wurde von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) im Alter von 16 Jahren für die Sommerkonzerte im Berliner Palais seiner Eltern, dem heutigen Sitz des Bundestages, verfasst, wie Cellistin Bettina Kessler erläuterte. Das Werk mit den Sätzen Allegro moderato ma con fuoco – Andante – Scherzo – Presto sprüht vor Kreativität und jugendlichem Elan. Es nahm noch einmal alle Aspekte der Romantik und auch der nun zu Ende gehenden Schubertiade plus auf – von Liebesfreuden und -leiden über das tiefe Empfinden in freier Natur bis zur Zuneigung zur Nacht mit ihren geheimnisvollen Wesen wie Elfen, Hexen und Magier.
»Der dritte Satz orientiert sich an der Walpurgisnacht aus Goethes Faust und schließt mit einer hohen Kadenz der Ersten Geige, die damit gleichsam die Schlusszeile ›Und alles ist zerstoben‹ wiedergibt«,so Kessler, die zudem auf den vierten Satz verwies, in dem der Komponist in immer rascheren Variationen den berühmten Vers »Und er regiert von nun an auf ewig« aus Händels »Halleluja« zitiert.
Von Inge Schneider