Bad Vilbel. Liesel Otte war die erste Lesepatin an der Saalburgschule. Am 24. November traf sie sich mit ihren beiden Patenschülern, um spielerisch bei ihnen Freude am Lesen und Verstehen zu wecken. Mittlerweile gibt es neun Lesepaten, die mit insgesamt zwölf Kindern einzeln oder zu zweit eine Stunde in der Woche an der Schule verbringen. Die Kinder, die fast alle aus Einwanderer-Familien kommen und sich mit der deutschen Sprache schwer tun, lernen Sätze zu bilden und ihre Fantasie schweifen zu lassen. Im Gespräch über die Texte verbreitert sich der Wortschatz. Mittlerweile wollen auch die Regenbogenschule und Kindergärten Paten haben, mit denen die Kinder zuhören, erzählen, lesen, eben die deutsche Sprache lernen, ohne dass sie es merken. Von der Nachbarschaftshilfe mit ihrer Vorsitzenden Hannelore Lotz ist die Initiative zur Einrichtung der Lesepaten ausgegangen.
„Ich hab den Schülern mal vorgeschlagen, ein Drachen-Mobile zu bauen“, berichtet Heinz von Selchow, der zwar nicht Lesepate ist, aber als Helfer im Unterricht – ebenfalls ein Kooperationsprojekt der Saalburgschule mit der Nachbarschaftshilfe seit 2000 – mit den Kindern beim Werken zusammen arbeitet. Neun der 27 Schüler hätten sich gleich ans Werk gemacht, 18 blieben untätig. Erst als er merkte, dass sie nicht wussten, was ein „Drache“ ist, konnte er helfen. „Ich erklärte, das ist ein Krokodil mit Flügeln, das Feuer speit, und sofort wussten die Kinder, was gemeint war.“
Lesepatin Hanne Tinkl hat mit ihrem Patenkind aus Max und Moritz gelesen – und musste feststellen, dass Schüler heute nichts mehr mit dem Wort „Streich“ anfangen können. Nur zwei Beispiele für die Notwendigkeit der Lesepaten.
Kinder, die in der Klasse durch Defizite in der deutschen Sprache auffallen, werden von den Lehrern als Patenkinder vorgeschlagen. Sabine Jung etwa bekam im Januar ein Zwillingspärchen in ihre erste Klasse, „beide sehr fleißig, sehr motiviert, aber sie sprechen in der Familie und in ihrem Umfeld nur Türkisch“, berichtet sie. An ihnen wie an den anderen Patenkindern werde sichtbar, welchen Mut sie aus den wöchentlichen Treffen ziehen.
Gelesen wird in der Regel aus Büchern der jeweiligen etwa 50 bis 60 Bände umfassenden Klassenbücherei. Eigene Bücher wie Max und Moritz oder eine selbst verfasste Geschichte, die Lesepate Helmut Lange ursprünglich für seine Enkel geschrieben hat, bilden die Ausnahme. „Immer sollte eine Absprache über den Lesestoff erfolgen“, so Lehrerin Heike Driebold.
Dass dann auch gemalt wird, was gelesen wurde, dass die Thronbesteigung aus einer Geschichte nachgespielt wird oder dass, angeregt durch eine Geschichte, Urlaubsgespräche geführt werden, vertieft das freundschaftliche Verhältnis zwischen Paten und Kindern, lockert die Treffen auf und schafft vertrauensvolle Kontakte „bis in die Familien der Kinder hinein.“ Dies alles sollte jedoch nicht zum beherrschenden Bestandteil der Treffen werden.
„Nicht nur die Kinder profitieren davon, auch unsere Leute, meist Senioren, freuen sich über die sinnvolle Herausforderung mit den Kindern“, versichert Lotz. Dass sie bei ihrem Einsatz den Verein vertreten, gibt ihnen „Sicherheit und Schutz“, wie von Selchow sagt. Es sei aber auch „Verpflichtung, sich möglichst um Professionalität zu bemühen.“