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Die Steine erzählen

Claus-Günther Kunzmann schildert die wechselvolle Vergangenheit der Vilbeler Burg

Die Bad Vilbeler Wasserburg gehört zu den wenigen historischen Gebäuden in der Quellenstadt. Anlass genug, das alte Gemäuer und seine wechselvolle Geschichte im Zuge einer besonderen Stadtführung vorzustellen.

Bad Vilbel. Claus-Günther Kunzmann leitet die Führung zum Wahrzeichen der Stadt. Er ist als Erster Vorsitzende des Bad Vilbeler Vereins für Geschichte und Heimatpflege, Kulturamtsleiter und Intendant der Burgfestspiele bestens mit dem Gemäuer vertraut. Das idyllisch auf der rechten Niddauferseite gelegene, aus Rot- und Buntsandsteinen errichtete Gemäuer, blickt in vieler Hinsicht auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Einer der Schwerpunkte des informativen Rundgangs liegt auf der Baugeschichte der Burg.

Beim Rundgang um die Burg sowie der Besichtigung des Innenhofs, des Palas und des Burgkellers lenkt der Führer den Blick der Besucher immer wieder getreu des Mottos „wenn Steine erzählen“ auf Mauern, Fenster, Vorsprünge, Zinnen, Torturm, Palas und bauliche Details. „An den Mauern der Burg lassen sich verschiedene Bauphasen allein anhand der Form der Steine ablesen.“ Lorenz Frank hat im Zuge einer historischen Bauforschung versucht, die einzelnen Bauphasen voneinander zu trennen.

Vertreibung der Ritter

Die ursprüngliche Burganlage wurde im elften oder zwölften Jahr-hundert errichtet. Der Wiederaufbau der Anlage nach der Zerstörung 1399, deren Ausmaß der Stadtführer als gering einschätzt, „es handelte sich eher um eine Vertreibung der Ritter von Vilbel“, wird auf das erste Viertel des 15. Jahrhunderts datiert. Um 1420 wurden die untere der beiden Wohnebenen errichtet und die Fenster mit Basaltsteinen eingefasst. Der Neubau des Palas, des Haupt- und Wohngebäudes mit dem Gewölbekeller, der einen Eindruck von der Größe des Wohngebäudes vermittelt, fällt ins Jahr 1539. Davon zeugt die in den Schlussstein über dem Kellereingang gemeißelte Jahreszahl.

Veränderungen am Torturm mit dem einzigen Eingang in die Burg und das Aufstellen eines Brunnens wurden auf 1677 datiert. „Das Niveau des Hofes lag einen Meter tiefer als heute.“ 1784 wurde die Remise errichtet. 1796 fand die Zerstörung der Burg durch französische Truppen statt. „Sie plünderten die Burg und den Weinkeller und setzten den roten Hahn drauf, sprich zündeten sie an. Seither ist die Burg eine Ruine.“ Eine Brandschicht in der Tiefe des Burgkellers und dreibeinige unter Weinfässern gebräuchliche Gefäße sind stumme Zeugen der Zerstörung.

Die Stadt Bad Vilbel kaufte die stark sanierungsbedürftige Burgruine 1955. Bei der Reparatur wurden nach damaligem Kenntnisstand teils falsche Materialien verwendet. „Beachtet wurde einzig die Form der Burg“, sagt Kunzmann, 135 Gradwinkel in der Mauer auf der Südseite. Bei der Sanierung der Mauern vor einem Jahr wurde auf Farbgebung und Körnung von Sand und Mörtel geachtet, alte Schäden wie Sandsteinabsprengungen durch Frost wurden behoben.

Der 1895 vom damaligen Besitzer zugeschüttete Burggraben diente einst als Flut- und Fäkaliengraben. Er hatte das gleiche Niveau wie die Nidda bis zu ihrer Regulierung. In den 1960er-Jahren wurde er ausgebaggert. Die Burg bestand außen aus dicken Mauern und im Inneren wohl größtenteils aus Fachwerkbauten. Der Zwischenraum des zweischaligen Mauerwerkes wurde mit Geröll verfüllt, wie dies heute noch auf der Westseite an einer freigelegten Ecke neben dem Torturm zu sehen ist.

Keine Originalbilder

„Wie die Burganlage einmal ausgesehen hat, wissen wir nicht. Es gibt keinen Stich und keine Zeichnung.“ Zu den Besonderheiten der Burganlage gehören die Schlüsselloch-Schießscharten aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts. „Es handelt sich um eine frühe Form dieser Schießscharten.“ In den runden Löchern der Westwand steckten Hölzer, auf denen das Gerüst für den Bau der zweiten Wohnebene stand. Neben einem Fenster befindet sich das Abortgitter mit Sitzbank.

Der Turm auf der Südwestseite an der Nidda war das die Wohnebenen verbindende Treppenhaus. Freigelegt wurden die Aufleger für die Stufen der Spindeltreppe. „Man kann ganz viel am Mauerwerk ablesen.“ Auch dass der kurmainzische kleinere Innenstadtbereich rechts der Nidda die Hochwasserseite der Quellenstadt war.


Die nächste Stadtführung findet am Samstag, 30. April, statt. Der „Stadtrundgang für Neugierige“ beginnt um 15 Uhr am Brunnen- und Bädermuseum (Marktplatz). Die Teilnahme kostet fünf Euro, ermäßigt zwei.