
Bad Vilbel. Vorerst kommt so viel Trinkwasser aus dem Hahn, wie es beliebt. Doch auf Dauer ist die Nachschublage in der Quellenstadt »nicht ganz unkritisch«, sagt Klaus Rotter von den Stadtwerken. Man brauche pro Jahr ein paar Hunderttausend Kubikmeter mehr.
Die Ovag lässt die durstigen Einwohner nicht hängen. Seit dem ersten Januar dürfen sie bei Bedarf bis zu 250 000 Kubikmeter im Jahr mehr aus der Fernwasserleitung ziehen als bisher. Das entspricht dem Inhalt von 250 Millionen Literflaschen. Diese Zusatzlieferung ist aber nur bis Ende 2026 abgesichert – für die Zeit danach braucht es neue Vereinbarungen.
Klaus Rotter ist der Technische Leiter der Stadtwerke. Vor dem Planungs-, Bau- und Umweltausschuss präsentierte er kürzlich das städtische Wasserkonzept mit dem noch ungelösten Nachschubproblem. Demnach bezieht die Stadt 84 Prozent ihres Wassers aus den Brunnen der Ovag im Vogelsberg und Mittelhessen. Drei Prozent kommen vom Zweckverband Unteres Niddatal. Die beiden eigenen Brunnen in Bad Vilbel liefern 13 Prozent des Trinkwassers.
Letztere dürfen bis zu 300 Millionen Liter pro Jahr aus 36 Metern Tiefe ziehen. Tatsächlich fördern die Stadtwerke viel weniger. Man nutze 61 Prozent dieses Wasserrechts aus, berichtete Rotter. »Kritisch wäre, wenn mehr als 75 Prozent des vorhandenen Dargebots ausgeschöpft würden.« Denn dann sinke der Mineralgehalt der benachbarten Hassia-Brunnen. Und das geht gar nicht. Der bundesweit aktive Ur-Vilbeler Mineralwasser-Abfüller hat eigene Wasserrechte für 415 Millionen Liter pro Jahr.
Woher kommt der zusätzliche Bedarf? Die Stadt werde immer größer, so Rotter. Sie wuchs auf rund 38 000 Einwohner. Um 2035 werde sie wohl um die 40 000 Menschen zählen – und eine neue Thermenlandschaft im Baugebiet »Krebsschere« haben. So steige der jährliche Wasserbedarf auf 2,4 bis 3,03 Millionen Kubikmeter. Für wahrscheinlich hält Rotter einen Verbrauch von etwa 2,8 Millionen Kubikmeter. Im Jahr 2022 waren es »nur« 2,36 Millionen Kubikmeter. Pro Kopf also 165 Liter, wenn man den Wasserverbrauch der Bad Vilbeler Firmen einbezieht.
Was tun? Das Wassersparen sei einerseits erfolgreich, sagte Bürgermeister Sebastian Wysocki vor dem Ausschuss. Der Pro-Kopf-Verbrauch sei in den letzten Jahren deutlich gesunken. Beispielsweise durch die Verteilung von 10 000 Perlatoren, die den Durchfluss am Wasserhahn drosseln. Millionen Liter Trinkwasser könnte man noch sparen, wenn alle Vilbeler an die Spülkästen ihrer Toiletten gingen. Eine Spartaste lässt nur noch fünf Liter pro Spülvorgang in den Kanal fließen.
Das weitere Einsparpotenzial hält Wysocki trotzdem für zu gering, um Vilbels Nachschubproblem zu lösen. Wenn es für alle nicht mehr reicht, so Stadtwerke-Mann Rotter, »dann müssen wir mal überlegen, wie viel Wasser der südliche Nachbar bekommt«. In einer Krise, so auch Wysocki, »ist uns das Hemd näher als die Hose«. Frankfurt und andere Kommunen jenseits der Wetterau bekommen von der kreiseigenen Ovag sehr viel Wasser. Da deutet sich am Horizont ein Konflikt an.
Neue und
größere Speicher
Die zusammen 130 Kilometer langen Hauptleitungen in Bad Vilbel sind im Mittel 65 Jahre alt. Die Wasserverluste halten sich laut Klaus Rotter in Grenzen, auch weil die Stadtwerke pro Jahr bis zu drei Kilometer erneuern.
Zudem wird in den nächsten Jahren viel Geld in neue, größere Speicher investiert. Aktuell hat die Stadt fünf Hochbehälter, die zusammen 8000 Kubikmeter (also acht Millionen Liter) fassen. Mehrere davon werden die Stadtwerke stilllegen und durch ein neues großes Wasserschloss an einem hoch liegenden Punkt ersetzen. Dann könne man in Bad Vilbel 11 000 Kubikmeter speichern, also mehr als einen Tagesbedarf. Dieser Puffer helfe auch der Ovag, das Netz bei Verbrauchsspitzen an heißen trockenen Tagen stabil zu halten.
Wo und wie genau das Wassernetz ertüchtigt wird, wollen Stadtwerke und Verwaltung nicht im Detail erläutern. Es sei ja »kritische Infrastruktur« und müsse vor Sabotage geschützt werden, so Bürgermeister Wysocki. Deshalb finde man die Bad Vilbeler Hochbehälter auch nicht in Google Maps.
Von Klaus Nissen