Veröffentlicht am

Die Kinder von Auschwitz nicht vergessen

Alwin Meyer hat für sein Buch mit 80 KZ-Überlebenden gesprochen

Alwin Meyer
Während Meyer von seinen Gesprächen mit den überlebenden Kindern aus Auschwitz spricht, zeigt er auf einer Leinwand Fotos von seinen Gesprächspartnern, die diese in verschiedenen Lebensabschnitten zeigen
Während Meyer von seinen Gesprächen mit den überlebenden Kindern aus Auschwitz spricht, zeigt er auf einer Leinwand Fotos von seinen Gesprächspartnern, die diese in verschiedenen Lebensabschnitten zeigen

Alwin Meyer hat in der Stadtbibliothek Bad Vilbel sein Buch „Vergiss deinen Namen nicht – Die Kinder von Auschwitz“ vor mehr als 70 Zuhörern vorgestellt. Seine Berichte sind bewegend und erschreckend.

Bad Vilbel. Alwin Meyer hat sich weltweit auf die Suche nach jenen Überlebenden gemacht, die im Kindesalter ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert wurden oder dort geboren wurden. Rund 80 Überlebende hat er seit 1972 getroffen und mit ihnen Gespräche geführt. Der Journalist und Filmemacher aus Berlin hat aus diesen Gesprächen ein Buch gemacht: „Vergiss deinen Namen nicht – Die Kinder von Auschwitz“.

Er berichtet davon, was viele Holocaust-Überlebende ihm gesagt haben: „Erzählt das, was ihr von uns gehört habt, weiter.“ Und das tue Alwin Meyer in „vorbildlicher Weise“, sagte zu Beginn Uwe Hartwig, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Auschwitz, die zusammen mit der Stadt Bad Vilbel zu der Lesung eingeladen hatte

Kinder und Familien
Meyer nennt Zahlen und Fakten zum KZ Auschwitz. So seien mindestens 232 000 Säuglinge, Kinder und Jugendliche von den Deutschen nach Auschwitz verschleppt worden. Während er von seinen Gesprächen mit den überlebenden Kindern aus Auschwitz spricht, zeigt er auf einer Leinwand Fotos. Diese zeigen die Kinder, teils mit Geschwistern, teils mit Familienangehörigen.

„Jiri, Zdenek, Yehuda, Kola, Ruth, Robert, Olga und Vera“ – mit ihnen und anderen „Kindern von Auschwitz“ hat Meyer gesprochen und dabei von ihren Schicksalen erfahren. Davon erfahren, was es bedeutet, in einem KZ aufzuwachsen.
„Als meine Familie ins KZ deportiert wurde, mussten wir Kinder alle Spielsachen zu Hause lassen. Die Zeit des Spielens war endgültig vorbei“, sagte ihm ein Überlebender. „Seife, Handtücher, Toilettenpapier – all das, was zur Zivilisation gehört, gab es in Auschwitz nicht“, erklärt Meyer.

Suche nach Identität
Indem Meyer ihre Lebensgeschichten erzählt, hält er die Erinnerungen an sie wach. Zu manchen seiner Gesprächspartner habe er über Jahre und Jahrzehnte Kontakt gehalten, teils auch zu deren Kindern und Enkeln. Einige seien mittlerweile verstorben, mit anderen korrespondiere er bis heute, mit manchen seien sogar Freundschaften entstanden, sagt Meyer.

Manche seiner Gesprächspartner hätten mitansehen müssen, wie die eigene Mutter im KZ gedemütigt und erniedrigt wurde. Diese Bilder seien der Tochter nie wieder aus dem Kopf gegangen, berichtet Meyer. Andere – darunter Zwillinge – hätten ihm von Experimenten erzählt, die der KZ-Arzt Josef Mengele mit ihnen und anderen Kindern gemacht habe. Ihnen seien die Augen verätzt oder sie seien mit Viren infiziert worden, berichtet Meyer aus den Interviews. Die Suche nach ihrer Herkunft und Identität habe viele noch Jahre nach der Befreiung beschäftigt. „Manche Kinder haben kein einziges Familienfoto retten können“, sagt Meyer.

Die Erfahrungen in ihrer Kindheit, in der über einen langen Zeitraum Angst und Hunger vorherrschte, hätten sie noch Jahre nach der Befreiung verfolgt. So habe ein Junge noch Jahre später bei seiner Adoptivfamilie, bei der es genug zu essen gegeben habe, Essensreste gesammelt und heimlich versteckt, berichtet Meyer. Denn: „Auschwitz lässt dich nie wieder los.“ .

Alwin Meyer. Vergiss Deinen Namen nicht – Die Kinder von Auschwitz. Steidl-Verlag Göttingen, 2. Auflage 2016, 38,80 Euro.

Die Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer ist Mitglied im Internationalen Auschwitz Komitee: Im Internet ist der gemeinnützige Verein unter www.lagergemeinschaft-auschwitz.de zu finden.