Neue Wege in der Pflege geht das Johanniter-Stift in Klein-Karben. In dem vor gut vier Monaten eröffneten Altenheim sind Präsenzkräfte die guten Seelen. Um sie dreht sich das gesamte Leben in den Wohnbereichen.
Karben. Gerade hat Beate Gröschel die beiden Essenswagen mit dem Fahrstuhl in die Küche gefahren. Kaum kommt sie den Gang entlang in „ihren“ Wohnbereich im ersten Stock, ist Anna* (84) auch schon da. Zielgerichtet geht sie auf Beate Gröschel zu und spricht sie an. „Hör ’mal, das kann so nicht gehen. Ich weiß auch nicht, was ich da machen soll. Mein Auto habe ich ja gar nicht dabei.“
Beate Gröschel lächelt, fasst die alte Dame an den rechten Oberarm. „Komm’ mal mit“, sagt sie im Weitergehen. „Du musst etwas trinken.“ Ein paar Schritte hinter ihr folgt Anna zur Küche. Ein Glas mit Tee hält Beate Gröschel der dementen Seniorin hin. Anna ergreift es und trinkt sofort.
Beate Gröschel (45) aus Ober-Rosbach ist Präsenzkraft im Johanniter-Stift. Sie und ihre fünf Kolleginnen sind nicht weniger als die guten Seelen des Altenheims in der Klein-Karbener Lohgasse.
Ein neuartiges Konzept setzen die Johanniter damit um: Die Präsenzkräfte sind von morgens um sieben bis abends um 21 Uhr stets in den beiden Wohnbereichen des Altenheims präsent. Ihre Arbeit ist ein Querschnitt aus Betreuung, Hauswirtschaft und etwas Pflege.
„Es ist für Bewohner und Angehörige sehr angenehm, immer einen Ansprechpartner zu haben“, sagt Doris Landvoigt, verantwortlich für die sozialen Dienste. Das ist sonst in Altenheimen keine Selbstverständlichkeit. Pflegekräfte kümmern sich meist abgeschottet in den Zimmern um Bewohner, Helfer sind oft nur zu den Mahlzeiten da. „Es soll nicht nur um Waschen, Anziehen und das Essen gehen, sondern auch um soziale Beschäftigung.“
Mehr Zeit
Zwar richten die Präsenzkräfte das Essen an, decken Tische ein, helfen den Bewohnern beim Essen. Doch sie kümmern sich auch um die Aktivitäten, zweimal jeden Tag. Singen zum Beispiel, Malen, Handwerken, Kuchen backen, Lesen oder Gymnastik. „Beim Anrichten helfen manche Bewohner gern“, berichtet Beate Gröschel. Selbst eine Gärtnergruppe hat sich gefunden, die sich um die jüngst gepflanzten Obststräucher kümmert. Die Bewohner sollen alles machen können, was sie früher daheim selbst gemacht haben. „Es geht nicht nur darum, dass die Bewohner satt und trocken sind“, sagt Gröschel. „Die Menschen sind hier zu Hause.“
Das Reich der Präsenzkräfte ist der offene Teil in der Mitte des Wohnbereichs. Ein Sofa, bequeme Sessel stehen hier. Zwei der Vierertische zum Mittagessen haben die Bewohner zusammengerückt. Im großen Schrank an der Wand stehen Bücher.
Über eine Zusatzausbildung ist die Hauswirtschafterin Gröschel zu ihrer neuen Aufgabe gekommen. „Ich wollte mehr mit Menschen zu tun haben“, sagt sie. In den vergangenen Jahren stand die Familie im Vordergrund. Zum Wiedereinstieg nun ließ sie sich zur Betreuungskraft weiterbilden. Ganz in die Pflege wollte sie aber nicht. „Dort ist die Zeit doch manchmal knapp“, findet Gröschel. „So bin ich viel näher an den Menschen.“
Bei den Johannitern können sich die Pflegekräfte ganz auf ihre Aufgabe konzentrieren, während die Präsenzkräfte, unterstützt von Betreuungskräften und Praktikanten, die Tagesbetreuung erledigen. Sozialen Kompetenzen sind Heimleiterin Gabriele Roettger wichtig. „Unsere Leute brauchen Lebenserfahrung, um ihren Beruf gut auszuführen.“ Frauen, auch über 50-jährige, die wieder in den Beruf einsteigen wollen, sind deshalb bei den Johannitern hochwillkommen.
* Name der Bewohnerin geändert