Auf einer Familienfreizeit spreche ich ein Kind mit Namen an und fordere es auf: „Geh!“ Es kommt auf mich zu. Ich wiederhole den Ruf: „Geh!“ Verstört geht das Kind einige Schritte zurück. Als ich noch einmal sage: „Geh!“, fragt es genervt nach: „Ja, wohin soll ich denn gehen?“ In der Tat: Es fehlte die klare Angabe der Richtung.
Im 12. Kapitel des 1. Mosebuches heißt es: „Und der Herr sprach zu Abraham: Geh aus deinem Vaterland (…) in ein Land, das ich dir zeigen will. Da zog Abraham aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte.“
Das ist wirklich erstaunlich: Abraham vernimmt ganz deutlich die Stimme Gottes. Und er folgt dem Ruf, obwohl er nicht gesagt bekommt, wohin er genau gehen soll.
Wir kennen das alle: Richtungslos in den Tag hinein leben macht keine Freude. Zielorientiert leben, zumindest kleine Ziele vor Augen haben, bringt erst Sinn und Ordnung in mein Leben.
Der Mensch des Glaubens versteht sein Leben grundlegend in der Beziehung zu Gott. Die Lebendigkeit dieser Beziehung erfährt er im Gespräch mit Gott, im Hören und im Reden. Und dann auch im Befolgen des Erkannten. Was will Gott mir sagen? Wie kann ich es vernehmen? Fest steht: Wir kommen hier an der Bibel nicht vorbei. Christen nennen die Bibel insgesamt das Wort Gottes. Gewiss, uns sprechen diese Worte ganz unterschiedlich an. Gleichgültig lassen sie keinen. Wir werden zu einer Zwiesprache mit Gott und mit uns selbst aufgefordert. Ja, es darf und soll auch genau so gefragt werden: Was sagt mir Gottes Wort hier und heute? Wozu will es mich in Bewegung bringen?
Abraham jedenfalls vernahm die Stimme Gottes sehr konkret. Das „Geh!“ braucht wirklich kein unklarer Aufruf ohne konkrete Zielangabe bleiben. Allerdings gehört das erneute Nachfragen auf dem Wege immer wieder dazu. Probieren Sie es aus: Die Bibel ist konkreter als manchem lieb ist.
Pfarrer Matthias Gärtner
Evangelische Kirche Dortelweil