Bad Vilbel. Eyayaw Biru, Touris-musstudent aus Addis Abeba, war zwei Monate lang in Bad Vilbel. Er kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Verwundert reibt er sich die Augen, als er im Kuhstall des Dottenfelderhofes stand. „So dicke Kühe habe ich noch nie gesehen“, staunt er.
Plötzlich reißt Eyayaw die Augen auf. Was war das? Die Kühe wurden nicht von Menschen, sondern von Maschinen gemolken. Diese Entdeckung war für den 21-Jährigen fast so abenteuerlich wie der Anblick eines UFOs. Science Fiction im Kuhstall für einen Besucher, der aus einem Land kommt, in dem Hungersnot herrscht. Bei einer Klassenfahrt mit Viertklässlern der Regenbogenschule stellt der Nordäthiopier erleichtert fest, dass auch in Deutschland Kühe noch mit den Händen gemolken werden.
„In Deutschland ist Schule schön, das Lernen macht Spaß“, sagt der Student aus Afrika. Seine Expedition verdankt Eyayaw der Bekanntschaft mit Hanne und Gerd Mühle aus Dortelweil auf dem Flughafen von Lalibela. Auf Englisch berichtete der Halbwaise den beiden vom Besuch in seinem Dorf bei seiner Mutter und seinen fünf älteren Geschwistern. Sein Studium verdient sich Eyayaw mit Schuheputzen. Mit einem Studienkollegen teilt er sich eine mit Gras gedeckte Hütte ohne Wasser und Strom. Stolz zeigte er seinen neuen Bekannten sein Deutschbuch. Er lernt am Goethe-Institut Deutsch. Später will er Touristen die Kulturgüter seiner Heimat zeigen. „Deutschland werde ich nie kennenlernen. Ich komme aus einer sehr, sehr armen Familie“, sagte er beim Abschied. Hanne Mühle gab ihm ihre E-Mailadresse. Sie bot ihm an, ihr zu schreiben, damit er sein Deutsch verbessere. Ein reger Briefwechsel folgte und die Einladung zu einem Besuch in Deutschland.
Nach einem Formularkrieg, Bürgschaften und einem verpassten Flug landete Eyayaw in Frankfurt. Dort hielt ihn die Bundespolizei eine halbe Stunde fest, bevor er seine Dortelweiler Freunde begrüßen und in eine fremde Welt eintauchen konnte.
Schwer war es für ihn auch, sich an den langen Tages-Rhythmus zu gewöhnen, obwohl der Zeitunterschied nur eine Stunde beträgt. Bei ihm ist ab 18 Uhr dunkel (Äquatornähe). Und da es kein elektrisches Licht in den Hütten gibt, wird früh geschlafen.
Fremd waren ihm die Nahrungsmittel und die Essensgewohnheiten. In Äthiopien gehört zu allen Mahlzeiten (und oft auch allein) der Sauerteigfladen „Injera“. Eyayaw lernte fließendes Wasser aus den Rohrleitungen kennen und dies für die Dusche und zum Wäschewaschen zu verwenden. In Äthiopien dient dazu das Wasser aus dem Fluss.
Seiner Familie hatte er nach der Rückkehr noch viel mehr zu berichten. „Die werden mir vieles nicht glauben“, war er sich bereits vorher sicher. Deshalb hat er viele Fotos gemacht. „Ich habe eine (Quellen-) Königin und Ritter Bechtram (Bürgermeister) kennengelernt und Paella gegessen. Am schönsten sind hier die grünen Wälder und Wiesen. Und der Regen. Viele nette Kinder und Leute habe ich gesprochen.“
Jetzt ist Eyayaw Biru bereits wieder zurück in Äthiopien. Dort muss er nun nicht mehr auf dem kalten Boden schlafen, denn Regenbogenschüler haben ihm zum Abschied eine Isomatte und einen Mumienschlafsack geschenkt.