Bad Vilbel (rso). Jeden Tag begegnen wir unzähligen anderen Menschen. Auf der Straße, der Arbeit oder beim Bäcker um die Ecke. In einer Stadt wie Bad Vilbel kennt man sich oft. Doch ab und zu stößt man auf neue Gesichter. Und dann scheint es vielen schwerzufallen, sich vorzustellen und den anderen kennenzulernen. Keiner will sich aufdrängen, oder man hat schlichtweg kein Interesse. Doch das ist ein großer Fehler. Dass einander kennenzulernen bereichernd sein kann, das zeigte die Veranstaltung »Lebenseinblicke« des Ausländerbeirats, die im Haus der Begegnung im Rahmen der Interkulturellen Woche des Wetteraukreises stattfand.
Der Weg nach
Deutschland
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren bereits vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung in angeregte und intensive Gespräche vertieft. Punkt 18.30 Uhr ergriff Isil Yönter, die Vorsitzende des Ausländerbeirats, das Wort und eröffnete den Abend.
Man wolle heute ein niederschwelliges Vorstellen und Kennenlernen anbieten. Die anwesenden Redner würden Einblicke in ihr Leben gewähren, erläuterte Yönter und eröffnete mit der ersten Frage die Gesprächsrunde. Mit ihr saßen vor den Gästen mehrere Mitglieder des Ausländerbeirats, darunter Stanislava Stoyanova, George Albahri, Quoc Phong Pham und Giuseppe Indraccolo sowie Anil Sharma und Charlotte Lakatos als geladene Gäste. In der ersten Vorstellungsrunde beschrieben die Anwesenden ihr Leben, ihren Weg nach Deutschland und ihre momentane Situation. Stanislava Stoyanova schilderte, wie sie trotz eines Gymnasialabschlusses mit der Zweitsprache Deutsch in der ersten Vorlesung an einer deutschen Universität verzweifelte.
Mit dem Kommentar »Wenn man nach Deutschland kommt, ist die Sprache am Anfang der Horror – und es dauert, bis es besser wird«, brachte die studierte Politikwissenschaftlerin das Publikum zum Schmunzeln. Giuseppe Indraccolo erzählte davon, wie er als junger Italiener, nachdem er am Frankfurter Hauptbahnhof angekommen war, nur einen Abend ein Hotelzimmer nahm und schon am nächsten Morgen seine erste Arbeitsstelle fand. Das war 1976.
Etwas zurückgeben
George Albahri hingegen kam erst vor knapp zehn Jahren nach Deutschland. Der gebürtige Syrer floh mit seiner Familie aus Damaskus und landete schließlich in der Quellenstadt. Nach der Ankunft sei er besonders dankbar über die Unterstützung der Nachbarschaftshilfe gewesen. Ebenfalls habe ihn gefreut, dass er den Helfenden durch seine langjährige Tätigkeit als Elektrotechniker etwas zurückgeben konnte.
Unter den Lebenseinblicken gab es zahlreiche Parallelen, wie beispielsweise den schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt. Isil Yönter wollte wissen, was denn eine gelungene Integration ausmache. Die Runde und das Publikum sprachen daraufhin bekannte Punkte an, wie beispielsweise die Sprache schnell zu erlernen, ein Eigenheim und eine Arbeit zu finden. Doch viel interessanter war die Bemerkung, man müsse die »Mentalität, unter sich zu bleiben« durchbrechen. Die Redner waren sich einig, dass man sich an die Gesellschaft anpassen, also integrieren müsse, anstatt sich nur in den eigenen Kreisen aufzuhalten.
Anpassen, sich aber
nicht aufgeben
Was heißt »anpassen«, und wie sehr sollte man sich anpassen, fragte Isil Yönter in die Runde. Stanislava Stoyanova brachte das Dilemma auf den Punkt: »Für die einen bin ich zu bulgarisch, für die anderen zu deutsch.« Sie führte weiter aus, dass man sich zwar integrieren, aber auch niemals selbst aufgeben sollte. Deutschland sei schließlich ein vielfältiges Land.
Die letzte Äußerung erzeugte Widerspruch im Publikum. Ein Zuschauer warf ein, dass dies vielleicht noch in Bad Vilbel gelte, in manch anderem Ort sei dem jedoch nicht so. Es gab auch andere kritische Töne. Eine Zuschauerin fragte zum Beispiel, wieso man den Flüchtlingen, unter anderem aus Afghanistan, denen sie privat helfe, verbiete zu arbeiten.
Der Abend fand schließlich nach mehreren Stunden intensiven Austauschs dennoch ein versöhnliches Ende, und Isil Yönter hob noch einmal hervor, dass solche Anlässe wichtig seien, um herauszufinden, was den Menschen am Herzen liegt.
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