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Der lange Weg zur eigenen Kirche

Am 19. Mai 1974 weiht der Mainzer Generalvikar Martin Luley den Grundstein der katholischen St.-Bonifatius-Kirche in Klein-Karben. Foto: Privat
Am 19. Mai 1974 weiht der Mainzer Generalvikar Martin Luley den Grundstein der katholischen St.-Bonifatius-Kirche in Klein-Karben. Foto: Privat

Karben. In diesem Jahr feiert die St. Bonifatius Gemeinde das Jubiläum »50 Jahre St. Bonifatius«. Ein Anlass, um mit zwei Gemeindemitgliedern einen Blick zurück auf die Anfänge zu werfen.
Beim Blättern in Fotoalben und Unterlagen zur Vorbereitung des Jubiläums »50 Jahre St. Bonifatius« tauchen Pressewartin Karin Scholz und die stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende Dagmar Deutsch-Wittorf tief in die Geschichte ihrer Kirchengemeinde ein.
Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Ankunft vieler Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten gab es im bis auf Kloppenheim rein evangelischen Karben viele Bürgerinnen und Bürger katholischen Glaubens. Ihre Gottesdienste und Messen feierten sie anfangs im Kloppenheimer Schloss und später im Saal des Gasthauses »Deutsches Haus«.
Bauland wurde als Spielplatz genutzt
Groß war der Wunsch der Heimatvertriebenen nach einem eigenen Dach über dem Kopf. Der Nachkriegswunsch, eine eigene Kirche zu bauen, rückte in den Hintergrund. Die engagierten Mitglieder der Bonifatiusgemeinde brauchten Durchhaltevermögen bis zur Verwirklichung der Kirche. Bei einem Treffen im »Deutschen Haus« gründeten sie am 23. Juli 1958 den Kirchenbauverein Klein- und Groß-Karben.
Zum Vorsitzenden wählten sie Pfarrer Aloys Schwab. Zwei Jahre später, 1960, wurde das Baugelände gekauft. Bis zum Bau einer neuen Kirche samt Gemeindesaal sollten 14 Jahre vergehen. Bis dahin wurde das Gelände von der Bevölkerung als Spiel- und Ruheplatz genutzt.
Zur Freude aller Gemeindemitglieder führte Pfarrer Heinrich Wunderlich am 1. Dezember 1973 den »ersten Spatenstich« hinter dem Steuer eines Baggers durch. Und am 19. Mai 1974 erfolgte mit dem Mainzer Generalvikar Martin Luley die Verlegung und Weihe des Grundsteins der St.-Bonifatius-Kirche. In ihn ist auf beiden Seiten die Jahreszahl 1974 eingraviert. Eingemauert wurde in ihm eine luftdicht verlötete Kapsel. Sie enthält Zeitungen, Münzen, die Baugeschichte und die Namen der Beteiligten des Kirchenbaus vom Papst bis zum Bundespräsidenten. Das Richtfest wurde am 12. Juli 1974 und die erste Heilige Messe am 22. Dezember 1974, dem vierten Advent, in der neuen St.-Bonifatius-Kirche gefeiert. Die ersten Gottesdienste fanden ab dem 2. März 1975 statt.
Architekt Heinrich Heitz vom Architekturbüro Heitz, Bell und Paulick wurde mit der Planung und dem Bau vom Bischöflichen Bauamt beauftragt. Zu den Auflagen gehörte, dass das Gemeindezentrum um einen Innenhof gruppiert wurde. Zudem sollten alle Eingänge für Kirche, Gemeindehaus, Jugend und das Pfarrbüro dort angeordnet und unter überdachten Gängen miteinander verbunden werden. Weiterhin sollte der überdachte Raum ein Ort der Begegnung für die Gottesdienstbesucher sein.
Stimmungen mit
Licht erzeugen

Der Grundriss des Kirchenraums wurde nach den Vorgaben des Vatikanischen Konzils ausgerichtet. Dazu gehörte, dass die Ecken abgerundet wurden, um Weichheit zu erzeugen. Die Bestuhlung wurde quer zum Altar angeordnet, damit der Dialog zwischen Priester und Gemeinde erfolgen konnte. Die Belichtung des Raumes erfolgt über zurückliegende Fensterbänder mit opalisierter Verglasung. »Das sorgt für eine gedämpfte Atmosphäre. Zudem kann man in einem dunklen Kirchenraum ohne Ablenkungen von außen mit Licht und Kerzen Stimmungen erzeugen«, zählt Karin Scholz die Vorteile auf.
Besondere Aufmerksamkeit legten die Mitglieder des Verwaltungsrats und des Bauausschusses mit den Architekten auf die Raumakustik. Dem gesprochenen Wort wurde Vorrang vor Gesang und Orgelmusik eingeräumt. Wie der Architekt informierte, wurde die Nachhallzeit des Raumes auf 1,2 Sekunden berechnet. Durch Einsatz einer Lautsprecheranlage fühlt sich jeder Gottesdienstbesucher auf seinem Platz direkt vom Priester angesprochen.
Im vorderen Altarraum wurde eine Fläche für den Kirchenchor, die Jugendschola, Musikgruppen, Firmlinge, aber auch den Weihnachtsbaum mit Krippe geschaffen. Der Platz für eine elektrische Orgel war auf der linken Chorwand vorgesehen.
Als später eine neue, große Orgel aufgestellt wurde, wurde die zuvor genannte Fläche im Chorraum benötigt. Aus Kostengründen wies das Bistum an, dass am Glockenturm, an der Ausstattung und der Beleuchtung gespart werden sollte.
Über dem Chorraum wurde vom Bistum eine Glockenstube angeordnet für fünf Glocken mit verschiedenen Tonlagen. Als Provisorium wurde das Geläut von St. Nikolaus in Bad Vilbel über Lautsprecher ausgestrahlt. »Der Glockenturm ist symbolisch. Bis heute hängen in ihm keine Glocken, da ihr Gewicht für den sandigen Untergrund zu schwer wäre. Aus dem gleichen Grund musste das Fundament 1996/97 im Altarraum für die Orgel verstärkt werden«, informiert Dagmar Deutsch-Wittorf.
Der Kauf der Orgel wurde wie zuvor teilweise der Bau der Kirche und des Gemeindezentrums durch Spenden der Gläubigen ermöglicht. Geweiht wurde sie am 23. November 1997. Die Akustik in der Kirche sei durch den geraden Raum mit den unverputzten Klinkerwänden, die den Schall reflektierten, gut, berichtet das Duo. Von Christine Fauerbach